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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Vom alten Zieten
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Neue Essays
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0167

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Neue Eſſays. 157

man immer und immer wieder die Notiz in den Zeitungen, daß der König den alten
General mit ſeinem Beſuche beehrt habe. Selbſt am Neujahrstage, an dem der
König durch die Feſtlichkeiten des Tages gewiß ſehr in Anſpruch genommen war,
hat er Zieten wohl einmal perſönlich ſeine Glückwünſche zum neuen Jahre dar—
gebracht. Und immer erging er ſich dabei in Verſicherungen ſeiner beſonderen
Freundſchaft und Zuneigung. War der alte Herr leidend, ſo duldete der Monarch
nicht, daß er ihn an die Thür ſeines Hauſes geleite. Und wer gedächte nicht
jener reizenden Szene, wie der König an der Tafel im königlichen Schloſſe den
loſen Spöttern Schweigen auferlegte, welche ſich über Zieten luſtig machen wollten,
weil er bei Tiſch inmitten einer lebhaften Unterhaltung eingenickt war? „Laßt
ſchlafen mir den Alten,“ ſo äußerte der König einmal, „er hat oft genug für
uns gewacht.“ Die Szene wurde von einem Kupferſtecher zum Gegenſtande
bildlicher Darſtellung gemacht, die großen Abſatz fand.

Solche und ähnliche Züge ſind nicht zu überſehen. Es liegt eine tiefe Be—
deutung in der Tradition eines Staates, ganze Geſchlechter erſtarken daran. Sie
läßt ſich nicht durch Verordnungen „einführen“, ſie kann auch von den geſchickteſten
Jugendbildnern nicht „gelehrt“ werden, wenn ſie nicht im Herzen des Volkes
wurzelt. Leute, wie Zieten und Blücher hat man, oder man hat ſie nicht, an
dieſer Thatſache kann auch die „ſtrebſamſte“ Geſchichtſchreibung nichts ändern,
ſie kann mit aller Kunſt und Gefügigkeit keine Tradition „entwickeln“, wenn das
Material dazu fehlt. Wo es aber von ſelbſt und frei erwachſen iſt, da wird es
zum unveräußerlichen Gemeingute aller, da wirkt es mit elementarer Macht wie
nach dem erſten, ſo ohne Zweifel auch noch nach einigen folgenden Jahrhunderten.
Wenn heute noch preußiſche Huſaren in die Nähe der Ruheſtätte ihres erſten
Generals kommen, die ihm von ſeinen Nachkommen auf dem Kirchhofe zu Wuſtrau.
errichtet wurde, ſo bringen ſie den Manen desſelben ihre Huldigung dar, und
die Ruppiner Garniſon macht, wenn ſie an der Kirchhofmauer vorüberzieht, an
dieſer Stelle Halt und wird dann von ihrem Kommandanten auf die hohe Be—
deutung des ſchlichten Helden, der da zum ewigen Schlafe gebettet iſt, aufmerk—
am gemacht.

Und ſo fortan! Daß ſich der „alte Zieten“ in der Erinnerung ſeines Volkes
nicht vereinſamt fühle, dafür hat auch unſer Jahrhundert das Seinige gethan.
Bis jetzt iſt redlich dafür geſorgt, daß die Heldengreiſe in Preußen nicht
ausſterben.

Neue Eſſays.

Wir wollen nicht verſäumen, unſere Leſer darauf aufmerkſam zu machen,
daß in dem verfloſſenen Jahre zwei Sammlungen deutſcher Eſſays im Buchhandel
erſchienen ſind, welche die Beachtung aller jener verdienen, welchen es Bedürfnis
geworden iſt, die Reſultate des Denkens und Beobachtens eines reifen und reich
entwickelten Geiſtes in einer anregenden und äſthetiſch befriedigenden Form kennen
zu lernen. Die erſte dieſer Sammlungen, in welchen wir unter anderen auch
zwei Aufſätzen begegnen, die zuerſt in dieſer Zeitſchrift veröffentlicht worden ſind,
 
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