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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Leist, F.: Zur Geschichte der Bürger- und Bauern-Vornamen
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0315

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Zur Geſchichte der Bürger- und Bauern-Vornamen.

Die „Allgemeine Zeitung“ brachte vor nicht langer Zeit in Nr. 10 ihrer
Beilage eine von Profeſſor Thudichum in Tübingen ausgehende Anregung zur
Erforſchung der Geſchichte der bürgerlichen und bäuerlichen Vornamen und zwar
nach den Geſichtspunkten hin: Seit welcher Zeit und unter welchen Einflüſſen
die Führung neuteſtamentlicher Namen und die Benennung nach Heiligen ins—
beſondere in Deutſchland Platz gegriffen habe und welche landſchaftlichen Ver—
ſchiedenheiten ſich in dieſer Hinſicht zeigten.

Dieſe Anregung erſcheint alsbald als eine Ausſaat, die nicht auf Felsboden
gefallen, denn ſchon wenige Wochen ſpäter in Nr. 41 desſelben Blattes ver—
öffentlicht E. Wernicke ſeine Beobachtungen über die Entwickelung ſolcher Namen
in Schleſien.

Die Anſchauungen bezw. Beobachtungen der beiden Forſcher gehen in
mannigfacher Beziehung auseinander. Während z. B. Thudichum im all—
gemeinen die Anſchauung ausſpricht, daß es in Deutſchland wohl ſchwerlich
einem Bürger oder Bauern eingefallen ſein dürfte, ſeinen Kindern altteſtament—
liche Namen wie Iſaack, Moſes, Benjamin, Sara, Rebekka u. dgl. beizulegen, iſt
Wernicke in der Lage, für Schleſien wenigſtens das Vorkommen der David,
Elias, Eſaias, Jeremias, Samuel u. ſ. f. in ziemlicher Anzahl — zumeiſt aber
allerdings vom Ende des 15. und zunehmend im 16. Jahrhundert — nachzuweiſen.

Welchen Schluß nun ziehen wir aus der Verſchiedenheit dieſer Anſchauungen
und Beobachtungen? Einmal wohl mit Sicherheit den, daß ihnen eine Ver—
ſchiedenheit der Verhältniſſe zu Grunde liegt und da dieſe Verſchiedenheit vor—
zugsweiſe territorialer und lokaler Natur iſt, ſo ergibt ſich daraus weiter, daß
die ganze hier geſtellte Aufgabe nicht die Arbeit eines Forſchers bilden kann,
ſondern nur durch Zuſammenwirken einer Reihe von Kräften gedeihlich zu fördern
iſt. Die Vielgeſtaltung der territorialen und lokalen Verhältniſſe iſt in der an—
gegebenen Richtung genau zu prüfen; erſt dann kann die Aufgabe gelöſt werden
und aus dem Stadium eines ſtets ergänzungsbedürftigen Stückwerks heraus—
treten.

Es rechtfertigt ſich damit zugleich, wenn ich verſuche, jene von Thudichum
gegebene Anregung auch auf dieſe Zeitſchrift zu übertragen, denn mehr als
irgendwo dürfte gerade in der vorliegenden Frage — wenigſtens rückſichtlich der
vorbereitenden Thätigkeit — das Gebot der Arbeitsteilung am Platze ſein.
 
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