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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Schmidt, Friedrich: Erziehung und Unterricht in Deutschland während des Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0097

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Erziehung und Unterricht in Deutſchland während des Mittelalters. 87

So ſehen wir, daß mit Ausnahme der ſeit alten Zeiten am
Königshofe beſtehenden Palaſtſchule alle übrigen Erziehungsanſtalten
faſt aͤusſchließlich die Heranbildung von Mönchen und Geiſtlichen
bezweckten und demnach die Bildung nur einem verhältnismäßig
kleinen Teile des Volkes zukam. Denn Privatlehrer, wie ſie ſich
in Italien von früher her erhalten hatten, gab es damals in
Deutſchland noch nicht.

Die große Maſſe des Volkes blieb alſo nach- wie vorher in
tiefe Unwiſſenheit, ja zum Teil trotz aller frommen Bemühungen
von ſeiten eifriger Seelſorger im alten heidniſchen Volksglauben
verſunken und jeglicher Kultur fremd. Daß hier von planmäßiger
Einwirkung auf die Entwickelung der geiſtigen Anlagen, alſo von
Unterricht und Bildung, nicht die Rede ſein kann, verſteht ſich von
ſelbſt. Die Kinder wuchſen, wie die Bäume im Walde, frei und
Unbeeinflußt auf. Rechtzeitig wurden ſie im Gebrauch der Waffen
zu Krieg und Jagd, im Reiten und anderen körperlichen Fertigkeiten.
geübt; in Gegenden, wo Ackerbau getrieben wurde, lernte der
Knabé ebenſo die Handhabung der Ackergeräte. Alles andere blieb
ihm unbekannt. So befand ſich die große Menge des Volkes,
ſelbſt des Adels, noch lange auf niedriger Kulturſtufe, und erſt
mit der Ausbreitung des Chriſtentums wurde allmählich der Sinn
für geiſtige Bildung im Volke geweckt. Daß hierin Karl dem
Großen das größte Verdienſt zukommt, iſt jedermann bekannt.

Während im ſüdlichen und weſtlichen Teile Deutſchlands
ſchon ſeit langer Zeit eine höhere Kultur Eingang gefunden hatte,
waren die Bewohner des nördlichen Deutſchlands noch unberührt
davon geblieben. Erſt nachdem Karl der Große in langwierigen,
harten Kämpfen die heidniſchen Sachſen bezwungen und zur An—
nahme des Chriſtentums gebracht hatte, wurde durch Errichtung
von Bistümern und Klöſtern allenthalben im Lande Gelegenheit
gegeben, das Volk einer höheren geiſtigen Kultur teilhaftig werden
zu laſſen. Von Osnabrück, Münſter, Paderborn, Bremen aus
verbreitete ſich bald helles geiſtiges Licht über das ganze Land,
und nach Verlauf eines Jahrhunderts ſtanden die Sachſen den
übrigen deutſchen Volksſtämmen auch hierin nicht mehr nach.

Ueberhaupt iſt es ſtaunenerregend, was Karl der Große trotz
ſeiner vielſeitigen anderen Beſchäftigung für Unterricht und Erziehung
an ſeinem Hofe wie in ſeinem weiten Reiche that. Wie er ſich
in vielen Stücken die alten römiſchen Kaiſer zum Vorbild nahm,
ſo ſchwebte ihm ſicherlich auch das Ziel vor Augen, ſein Volk
einer höheren, alle umfaſſenden Kultur teilhaftig zu machen, was
in damaliger Zeit natürlich innig mit Pflege und Ausbreitung
 
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