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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Erdmannsdörffer, Bernhard: Bittorio Alfieri
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0142

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132 Vittorio Alfieri.

Inhalt. Es iſt ſchließlich eine ziemlich beſchränkte Skala von Em—
pfindungen, von Konflikten und von Löſungen, über welche er
mit dieſem Material verfügt. Er hat ſelbſt vielleicht ein Gefühl
von dieſem Mangel gehabt; ſeine Studien, bekennt er, ſeien doch
noch ſehr ungenügend, ſeine Unwiſſenheit „gigantiſch“ geweſen,
als er zu ſchreiben begonnen: „aber das erſte Requiſit des tra—
giſchen Dichters iſt die Leidenſchaft, und die lernt man nicht.“!

Schon die früheſte zeitgenöſſiſche Kritik nahm, wie an der
Sprödheit ſeiner Form, ſo an der harten Monotonie ſeiner Ge—
danken Anſtoß. Der Dichter Alfieri hat bei ſeinen Lebzeiten viele
Anfechtung und verhältnismäßig wenige unbedingte Verehrer gehabt.
Und ſelbſt der Mann und der Charakter war doch der gewohnten
Zahmheit der Empfindungen zu fremdartig und zu gewaltig, als
daß er mit ſeinem Einfluß ſofort in weiten Kreiſen hätte durch—
dringen können. Ein gewiſſer kühler Reſpekt vor der eigenartigen,
mannhaften, trotzig-unabhängigen Perſönlichkeit ließ zu ihm em—
porſchauen, als zu einer nationalen Größe; aber zu wirklicher
Popularität iſt er erſt allmählich gelangt. Man darf ſagen, dieſe
allgemeine Anerkennung iſt Alfieri überhaupt zuerſt nicht ſowohl
um ſeiner poetiſchen Verdienſte willen zu teil geworden, als wegen
ſeiner politiſchen und nationalen Tendenz. Die ſchwache Seite
des Dichters war die ſtarke Seite des Patrioten und nationalen
Propheten.?

Und nun trat in die ſpäteren Zeiten ſeines Lebens die fran—
zöſiſche Revolution erſchütternd und verwirrend herein.

Alfieri lebte in Paris, als ſie ausbrach. Mit den lebendigſten
Hoffnungen begleitete er ihre erſten Schritte; auf die Zerſtörung
der Baſtille hat er eine begeiſterte Ode gedichtet, die er freilich
bald als eine „Entehrung ſeiner Feder“ bereute. Denn das
Trugbild täuſchte ihn nicht lange. Alfieri gehört zu den anfäng—
lichen Bewunderern der Revolution, welche am früheſten in ihrer
Stimmung umſchlugen. Schon nach den erſten entſcheidenden
Schritten der Konſtituante, wodurch dieſe die Summe der Staats—

LVita, S. 175: „al far tragedie il primo sapere richiesto si è il
forte sentire; il qual non s'impara.“

Eine der früheſten publiziſtiſchen Aeußerungen, worin dieſe Wirkung von
Alfieris Tragödien zu erkennen iſt, finde ich in einer politiſchen Flugſchrift vom
Jahre 1797: Essai sur la forme de gouvernement, que la Nation italienne
doit préférer. Par un des plus zelès républicains Italiens. Au mois de
Juin 1797 (0. O. Septembre 1798). Hier findet ſich S. 26 die Aeußernng:
„Victor Alfieri, ennemi de toutes les espèces de tyrannie, dont il a 6t6
le plus terrible fléau dans ses chefed'ocuvres tragiques, qu'on jouera et
qui seront compris et goütes en Italie, quand il y naitra des hommes“ ete.
 
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