Der Zug nach Verſailles in den Oktobertagen 1789. 141
Zivilbevölkerung eher zu gewaltſamen Exrzeſſen geneigt; aber ge—
meinſamer Exploſionsſtoff lag ſo gut im Bürgerheere wie auch
im Volke.
Darum dürfte wohl kaum die Annahme nahe liegen, daß
Lafayette die Militärbewegung veranlaßt habe. Dieſe Veranlaſſung
wäre doch ein zu gewagtes Spiel geweſen, als daß wir es La—
fayette ſo leicht zutrauen dürften. Sybel meint, daß für Lafayettes
direkte Einwirkung eine Stelle in Neckers Revolution! ſpreche.
Dort ſagt Necker allerdings, daß eine der zwei vorherrſchenden
Parteien in Paris, in welcher Lafayette hervorragte, direkten und
dauernden Einfluß auf den Monarchen gewünſcht habe, daß aber
der Aufenthalt des Königs in Verſailles dieſem Beſtreben entgegen—
geſtanden habe. Dagegen erklärt er jedoch kurz vorher,? daß der
inmitten des Geſchreies einer gärenden Bevölkerung
erteilte Befehl des Kommunalrates an Lafayette, das
Kommando über die tumultuierenden Kohorten zu
übernehmen, keinen Charakter der Freiheit an ſich
getragen habe, daß es aber dennoch ein Aktder Weis—
heit geweſen ſei, an die Spitze einer Bewegung, die
man nicht habe hemmen können, den General der be—
waffneten Macht zu ſtellen, der damals im Zenith
ſeiner Popularität geſtanden habe. Hieraus dürfte doch
zu entnehmen ſein, daß Necker die Militärbewegung nicht für eine
künſtlich gemachte hielt. Wenn ferner Vauvillers, worauf Sybel
ſtärkeres Gewicht legt, ſchon gegen 10 Uhr in Verſailles meldete,
daß ſich die Pariſer Nationalgarde gegen Verſailles in Bewegung
ſetze, um den König nach Paris zu holen, ſo folgt daraus nicht,
daß er dies auf Mitteilungen Lafayettes hin gethan habe. Nennt
doch Sybel ſelbſt die Botſchaft eine (wohl beſonders bezüglich der
unbeſoldeten Garde) lügenhafte Botſchaft; warum ſollte Vauvillers
nicht überhaupt bezüglich der Nationalgarde gefabelt oder ſeine
Vermutungen aus anderen Gründen als aus Mitteilungen La—
fayettes kombiniert haben? Darf man doch wohl annehmen, daß
die Ahnung von dem Zuge und das Gerücht davon in Paris, ſo
zu ſagen, in der Luft lagen.
Daß allerdings die Ueberführung des Königs nach Paris für
Lafayette nicht unerwünſcht war, dürfte ſich ſchwerlich beſtreiten
laſſen. Wurde ihm dadurch Gelegenheit geboten, mit der Rolle
eines Bürgergenerals die eines praefectus practorio zu ver—
A S O
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Zivilbevölkerung eher zu gewaltſamen Exrzeſſen geneigt; aber ge—
meinſamer Exploſionsſtoff lag ſo gut im Bürgerheere wie auch
im Volke.
Darum dürfte wohl kaum die Annahme nahe liegen, daß
Lafayette die Militärbewegung veranlaßt habe. Dieſe Veranlaſſung
wäre doch ein zu gewagtes Spiel geweſen, als daß wir es La—
fayette ſo leicht zutrauen dürften. Sybel meint, daß für Lafayettes
direkte Einwirkung eine Stelle in Neckers Revolution! ſpreche.
Dort ſagt Necker allerdings, daß eine der zwei vorherrſchenden
Parteien in Paris, in welcher Lafayette hervorragte, direkten und
dauernden Einfluß auf den Monarchen gewünſcht habe, daß aber
der Aufenthalt des Königs in Verſailles dieſem Beſtreben entgegen—
geſtanden habe. Dagegen erklärt er jedoch kurz vorher,? daß der
inmitten des Geſchreies einer gärenden Bevölkerung
erteilte Befehl des Kommunalrates an Lafayette, das
Kommando über die tumultuierenden Kohorten zu
übernehmen, keinen Charakter der Freiheit an ſich
getragen habe, daß es aber dennoch ein Aktder Weis—
heit geweſen ſei, an die Spitze einer Bewegung, die
man nicht habe hemmen können, den General der be—
waffneten Macht zu ſtellen, der damals im Zenith
ſeiner Popularität geſtanden habe. Hieraus dürfte doch
zu entnehmen ſein, daß Necker die Militärbewegung nicht für eine
künſtlich gemachte hielt. Wenn ferner Vauvillers, worauf Sybel
ſtärkeres Gewicht legt, ſchon gegen 10 Uhr in Verſailles meldete,
daß ſich die Pariſer Nationalgarde gegen Verſailles in Bewegung
ſetze, um den König nach Paris zu holen, ſo folgt daraus nicht,
daß er dies auf Mitteilungen Lafayettes hin gethan habe. Nennt
doch Sybel ſelbſt die Botſchaft eine (wohl beſonders bezüglich der
unbeſoldeten Garde) lügenhafte Botſchaft; warum ſollte Vauvillers
nicht überhaupt bezüglich der Nationalgarde gefabelt oder ſeine
Vermutungen aus anderen Gründen als aus Mitteilungen La—
fayettes kombiniert haben? Darf man doch wohl annehmen, daß
die Ahnung von dem Zuge und das Gerücht davon in Paris, ſo
zu ſagen, in der Luft lagen.
Daß allerdings die Ueberführung des Königs nach Paris für
Lafayette nicht unerwünſcht war, dürfte ſich ſchwerlich beſtreiten
laſſen. Wurde ihm dadurch Gelegenheit geboten, mit der Rolle
eines Bürgergenerals die eines praefectus practorio zu ver—
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