234 Aus dem Salbuche eines öſterreichiſchen Kloſters.
Sie wird dabei aber weſentlich auf den Urkunden fußen
müſſen. Die einzelne Urkunde freilich iſt wie ein Stift aus einem
zerfallenen Moſaik, anderes eine längere, zuſammenhängende Reihe.
Geht eine ſolche von einer Perſon aus, dann allerdings iſt der
Zuſammenhang oft nur ein äußerlicher, wie etwa bei den Kaiſer—
Irkunden, welche auf die verſchiedenartigſten Verhältniſſe ſich be—
ziehen und heute in Utrecht, vier Wochen ſpäter in Paſſau, nach
weiteren vierzehn Tagen in Verona ausgeſtellt, immer nur einzelne
Punkte erhellen, als Ganzes betrachtet, nur das ruheloſe Wander—
leben unſerer Könige klarlegen. Eine längere Reihe von Urkunden
dagegen, die eine Körperſchaft betreffen, beleuchtet zwar örtlich
nul 'inen beſchränkten Kreis, dieſen aber ſcharf und oft Jahr—
zehnte hindurch. Solche ſind allerdings faſt nur von geiſtlichen
Stiftungen erhalten, weil nur ſie entſprechend der überlegenen
Kultur, deren Erbe ſie waren, und die ſie inmitten einer bar—
bariſchen Welt vertraten, auch um die urkundliche Sicherung ihres
Beſitzſtandes ſich bemühten, und die wichtigſten darunter ſind die
codites traditionum, die Salbücher, die Verzeichniſſe der ihnen
gemachten Schenkungen.
Wenn wir nun hier von dem Salbuche eines öſterreichiſchen
Kloſters ausgehen, ſo geſchieht das nicht etwa deshalb, weil es
erſt kürzlich herausgegeben worden wäre — es iſt ſeit dreißig
Jahren veröffentlicht — ſondern aus anderen und inneren Grün—
den. Göttweih iſt eines der älteſten und bedeutendſten Klöſter
des deutſchen Südoſtens, ſein Salbuch überaus reichhaltig, über
ein Jahrhundert durch (1085 bis ca.. I220) fortgeführt und ſeiner
Zeit von einem Mitgliede des Stiftes muſterhaft ediert.! In
Zeſterreich kamen dann weiter die Bewegungen der tief erregten
Zeit beſonders energiſch zur Geltung: der Inveſtiturſtreit, die
Kreuzzugsbegeiſterung, die von allen deutſchen Landen eben Oeſter—
reich am früheſten ergriff, die reißend ſchnelle Ausbreitung der
deutſchen Koloniſation in einem wilden, eben erſt eroberten Lande,
das bald trotz ſeiner jungen Kultur die Pflegeſtätte der aufblühen—
den, mittelhochdeutſchen Litteratur werden ſollte. Sollte ſich da nicht
der Verſuch lohnen, an der Hand jener Aufzeichnungen die Zuſtände
dieſes Gebietes ſich klarzulegen, indem wir dabei andere Quellen
ſo weit mit heranziehen, als es zum Verſtändnis notwendig iſt?
Am einfachſten dürfte ſich der Stoff gliedern, wenn wir drei
Fragen zu beantworten ſuchen: Wer ſind die Stifter? Was
fliften ſie? Weshalb machen ſie die Stiftung?
Von W. Karlin in den Fontes rerum Austriacarum II. S (D
Sie wird dabei aber weſentlich auf den Urkunden fußen
müſſen. Die einzelne Urkunde freilich iſt wie ein Stift aus einem
zerfallenen Moſaik, anderes eine längere, zuſammenhängende Reihe.
Geht eine ſolche von einer Perſon aus, dann allerdings iſt der
Zuſammenhang oft nur ein äußerlicher, wie etwa bei den Kaiſer—
Irkunden, welche auf die verſchiedenartigſten Verhältniſſe ſich be—
ziehen und heute in Utrecht, vier Wochen ſpäter in Paſſau, nach
weiteren vierzehn Tagen in Verona ausgeſtellt, immer nur einzelne
Punkte erhellen, als Ganzes betrachtet, nur das ruheloſe Wander—
leben unſerer Könige klarlegen. Eine längere Reihe von Urkunden
dagegen, die eine Körperſchaft betreffen, beleuchtet zwar örtlich
nul 'inen beſchränkten Kreis, dieſen aber ſcharf und oft Jahr—
zehnte hindurch. Solche ſind allerdings faſt nur von geiſtlichen
Stiftungen erhalten, weil nur ſie entſprechend der überlegenen
Kultur, deren Erbe ſie waren, und die ſie inmitten einer bar—
bariſchen Welt vertraten, auch um die urkundliche Sicherung ihres
Beſitzſtandes ſich bemühten, und die wichtigſten darunter ſind die
codites traditionum, die Salbücher, die Verzeichniſſe der ihnen
gemachten Schenkungen.
Wenn wir nun hier von dem Salbuche eines öſterreichiſchen
Kloſters ausgehen, ſo geſchieht das nicht etwa deshalb, weil es
erſt kürzlich herausgegeben worden wäre — es iſt ſeit dreißig
Jahren veröffentlicht — ſondern aus anderen und inneren Grün—
den. Göttweih iſt eines der älteſten und bedeutendſten Klöſter
des deutſchen Südoſtens, ſein Salbuch überaus reichhaltig, über
ein Jahrhundert durch (1085 bis ca.. I220) fortgeführt und ſeiner
Zeit von einem Mitgliede des Stiftes muſterhaft ediert.! In
Zeſterreich kamen dann weiter die Bewegungen der tief erregten
Zeit beſonders energiſch zur Geltung: der Inveſtiturſtreit, die
Kreuzzugsbegeiſterung, die von allen deutſchen Landen eben Oeſter—
reich am früheſten ergriff, die reißend ſchnelle Ausbreitung der
deutſchen Koloniſation in einem wilden, eben erſt eroberten Lande,
das bald trotz ſeiner jungen Kultur die Pflegeſtätte der aufblühen—
den, mittelhochdeutſchen Litteratur werden ſollte. Sollte ſich da nicht
der Verſuch lohnen, an der Hand jener Aufzeichnungen die Zuſtände
dieſes Gebietes ſich klarzulegen, indem wir dabei andere Quellen
ſo weit mit heranziehen, als es zum Verſtändnis notwendig iſt?
Am einfachſten dürfte ſich der Stoff gliedern, wenn wir drei
Fragen zu beantworten ſuchen: Wer ſind die Stifter? Was
fliften ſie? Weshalb machen ſie die Stiftung?
Von W. Karlin in den Fontes rerum Austriacarum II. S (D