356 Eine Staatengeſchichte Nordamerikas.
man, in Häute und Pelze gehüllt, mit Mokaſſins an den Füßen,
Naſe und Ohren durch Froſt beſchädigt, vor den Staatsſekretär
Daniel Webſter, um ihn über Oregon zu belehren und von Ueber—
eilungen abzuhalten. Der Vertrag war nun freilich ſchon geſchloſſen,
aber klüglicherweiſe fand ſich Oregon darin nicht erwähnt. Leicht
ließen ſich der Miniſter, der Präſident Tyler und die Kongreßmit—
glieder von dem einzigen wirklichen Kenner Oregons über den
Wert des Landes unterrichten und bald war der Beſchluß gefaßt,
die Anſprüche der Vereinigten Staaten darauf mit allem Nachdruck
aufrecht zu erhalten. Dieſe Anſprüche beſtanden darin: Die Küſte
Oregons war zuerſt von Amerikanern erforſcht worden; in dem
Kauf von Louiſiana war das Gebiet bis 54040“ begriffen; auf
dem Landwege hatten zuerſt Amerikaner Oregon beſucht; die erſten
Niederlaſſungen daſelbſt waren amerikaniſche. Mit der größten
Zähigkeit verteidigten die Engländer ihren Beſitz, und erſt als die
Vereinigten Staaten (nachdem es faſt zum Kriege gekommen war
unter dem populären Feldrufe: „540 40' or fight!“ ſich mit der
Linie des 49. Grades begnügten, wurde das Einvernehmen erzielt.
Der Oregontraktat von 1846 ſprach das Gebiet ſüdlich dieſer
Grenze den Amerikanern zu. Schon früher, ſofort nach ſeiner
Miſſion in Waſhington, hatte Dr. Whitman große Einwanderer—
züge arrangiert, den erſten, 200 Wagen ſtark, mit 875 Leuten
und 1300 Stück Vieh führte er ſelbſt im Sommer 1843 über die
Rocky Mountains und traf ein Jahr, nachdem er von Waülatpu
abgegangen war, bei den Seinen wieder ein. Man darf ſagen,
daß es nur Dr. Marcus Whitman zu danken iſt, wenn Oregon
und die nächſtgelegenen Territorien ſich im Beſitz der Vereinigten
Staaten befinden. Sein Opfermut, ſeine Vaterlandsliebe haben
die Bedingungen für die Aktion der Regierung in Waſhington
geſchaffen. Er hat wenig Vorteil davon gehabt, denn er iſt ſchon
am 29. November 1847 von Indianern, die wahrſcheinlich aufge—
reizt waren und in ihm den Chef der amerikaniſcher Landräuber
ſahen, grauſam ermordet worden. Die Hudſons Bai Company
gab ihre Handelspoſten ſüdlich des 49. Grades nur zögernd,
Schritt für Schritt auf; ihr Landmonopol behielt ſie in Kanada
bis 1859, ihr Pelzmonopol ſogar bis 1870. So lange währte
es auch, ehe die Grenzfragen zwiſchen England und Amerika völlig
geordnet wurden. Sie ſind es jetzt endgültig, indem beide Streitende
an den Schiedsſpruch des deutſchen Kaiſers appellierten, der am
21. Oktober 1872 zu Berlin gefällt wurde. Dadurch kam auch
noch die immergrüne Inſel Vancouver an die Vereinigten Staaten.
Oregon iſt am 14. Februar 1859 als Staat in die Union auf—
man, in Häute und Pelze gehüllt, mit Mokaſſins an den Füßen,
Naſe und Ohren durch Froſt beſchädigt, vor den Staatsſekretär
Daniel Webſter, um ihn über Oregon zu belehren und von Ueber—
eilungen abzuhalten. Der Vertrag war nun freilich ſchon geſchloſſen,
aber klüglicherweiſe fand ſich Oregon darin nicht erwähnt. Leicht
ließen ſich der Miniſter, der Präſident Tyler und die Kongreßmit—
glieder von dem einzigen wirklichen Kenner Oregons über den
Wert des Landes unterrichten und bald war der Beſchluß gefaßt,
die Anſprüche der Vereinigten Staaten darauf mit allem Nachdruck
aufrecht zu erhalten. Dieſe Anſprüche beſtanden darin: Die Küſte
Oregons war zuerſt von Amerikanern erforſcht worden; in dem
Kauf von Louiſiana war das Gebiet bis 54040“ begriffen; auf
dem Landwege hatten zuerſt Amerikaner Oregon beſucht; die erſten
Niederlaſſungen daſelbſt waren amerikaniſche. Mit der größten
Zähigkeit verteidigten die Engländer ihren Beſitz, und erſt als die
Vereinigten Staaten (nachdem es faſt zum Kriege gekommen war
unter dem populären Feldrufe: „540 40' or fight!“ ſich mit der
Linie des 49. Grades begnügten, wurde das Einvernehmen erzielt.
Der Oregontraktat von 1846 ſprach das Gebiet ſüdlich dieſer
Grenze den Amerikanern zu. Schon früher, ſofort nach ſeiner
Miſſion in Waſhington, hatte Dr. Whitman große Einwanderer—
züge arrangiert, den erſten, 200 Wagen ſtark, mit 875 Leuten
und 1300 Stück Vieh führte er ſelbſt im Sommer 1843 über die
Rocky Mountains und traf ein Jahr, nachdem er von Waülatpu
abgegangen war, bei den Seinen wieder ein. Man darf ſagen,
daß es nur Dr. Marcus Whitman zu danken iſt, wenn Oregon
und die nächſtgelegenen Territorien ſich im Beſitz der Vereinigten
Staaten befinden. Sein Opfermut, ſeine Vaterlandsliebe haben
die Bedingungen für die Aktion der Regierung in Waſhington
geſchaffen. Er hat wenig Vorteil davon gehabt, denn er iſt ſchon
am 29. November 1847 von Indianern, die wahrſcheinlich aufge—
reizt waren und in ihm den Chef der amerikaniſcher Landräuber
ſahen, grauſam ermordet worden. Die Hudſons Bai Company
gab ihre Handelspoſten ſüdlich des 49. Grades nur zögernd,
Schritt für Schritt auf; ihr Landmonopol behielt ſie in Kanada
bis 1859, ihr Pelzmonopol ſogar bis 1870. So lange währte
es auch, ehe die Grenzfragen zwiſchen England und Amerika völlig
geordnet wurden. Sie ſind es jetzt endgültig, indem beide Streitende
an den Schiedsſpruch des deutſchen Kaiſers appellierten, der am
21. Oktober 1872 zu Berlin gefällt wurde. Dadurch kam auch
noch die immergrüne Inſel Vancouver an die Vereinigten Staaten.
Oregon iſt am 14. Februar 1859 als Staat in die Union auf—