Die hiſtoriſchen Quellen von Goethes Egmont. 391
er direkt als Quelle hätte dienen können; viel knapper und dürftiger als Strada,
dürftiger ſelbſt als Meteranus, bringt er keinerlei neuere Momente zur Geltung.
Höchſtens daß eine Parallele, die er zwiſchen Oranien und Egmont zieht, auf
dieſe beiden Acteure der großen Handlung beſonders aufmerkſam machen konnte.
Ueber den Urſprung des Geuſenbundes, über Egmonts vermittelnde Haltung
und ſeinen ſpäteren Eifer für die königliche Sache (er wird ihm ſowie den
Adeligen, die ſeinem Beiſpiele folgten, von Grotius als Verrat an der gemeinen
Sache angerechnet) werden wir wohl unterrichtet; die Gefangennahme des Helden
durch Alba, die Verletzung der Vließordensprivilegien, die Hinrichtung, die
Trauer der Nation und die Rachegedanken, die ſich in dieſer alsbald erhoben:
dies alles wird gleichfalls, aber in kürzeſter Form dargeſtellt (beſ. S. 36 — 38).
Burgundius und andere Quellen.
In der dem Kurfürſten Maximilian von Bayern gewidmeten „istoria
belgica ab anno 1558* des Nicolaus Burgundius (Ingolſtadt 1629) lag ein
ſtreng katholiſch und ſpaniſch geſinntes Geſchichtsbuch vor. Der Verfaſſer war
Profeſſor des öffentlichen Rechtes an der Univerſität zu Ingolſtadt, er rühmt
ſich in der Vorrede guter Quellen: er habe die Briefſchaften des Viglius, eines
Vertrauten Albas, dann die Korreſpondenz des Königs mit der Regentin ein—
ſehen können. Nach Strada iſt Burgundius wohl die ausführlichſte, beredteſte
Quelle; oft ſchöpfen freilich beide aus derſelben Vorlage, mitunter weichen ſie
aber doch nicht unbedeutend von einander ab. Intereſſant mußte er dem, der
ſich mit der Geſchichte des niederländiſchen Freiheitskampfes beſchäftigte, nament—
lich dadurch werden, daß er Verträge, Verordnungen und andere Aktenſtitcke
wörtlich mitteilt. Eine eingehende Charakteriſtik Egmonts gibt er nicht, wohl
aber Oraniens (S. 65). Der Bilderſturm wird ſogar breiter als bei Strada
erzählt, und Goethe konnte ſeine Schilderung desſelben ihm ebenſowohl ent—
nehmen wie der „Prima decas“. Das Gleiche gilt von der Szene zwiſchen
Oranien und Egmont, denn Burgundius berichtet ſehr genau über die letzte
Unterredung der beiden zu Willebroek. Wenn Egmont im Drama in Bezug
auf König Philipp ſagt: „Bei Gott, man thut ihm unrecht. Ich mag nicht
leiden, daß man unwürdig von ihm denkt“, ſo klingt das wie ein Nachhall
aus Burgundius: „Nicht ſo groß werde der Zorn des Königs ſein“, läßt dieſer
Geſchichtsſchreiber Egmont ſagen, „daß er nicht größeres Vertrauen auf deſſen
Milde ſetze. Faſt ſündige Oranien, daß er jenem einen ſo verbrecheriſchen Treu—
bruch zumute“ (S. 470). Bei Strada findet ſich die Stelle in dieſem Zu—
ſammenhange wenigſtens nicht. — Auch die Ratsſitzung in Madrid, welche im
Drama die Regentin ihrem Vertrauten gegenüber ſo draſtiſch ſchildert, finden wir.
bei Burgundius, wie bei Strada. Dagegen bricht bei jenem die Erzählung
mit der Ankunft Albas ganz ab; zugegeben wird, daß bereits alles beruhigt
war, als er kam (S. 492)4
Von Hopperus gibt es ein „Memorial des Troubles du Pays-Bas“, das
bereits in ldem 1743 veröffentlichten „Analecta belgica“ (Vol I) zu finden
iſt. Es kommt aber für die Hauptmomente des Dramas nicht mehr in Betracht,
da die Erzählung ebenfalls ſchon früher abbricht; doch konnte aus demſelben,
ebenſo wie aus den Briefen des Viglins, die in derſelben Sammlung abgedruckt
er direkt als Quelle hätte dienen können; viel knapper und dürftiger als Strada,
dürftiger ſelbſt als Meteranus, bringt er keinerlei neuere Momente zur Geltung.
Höchſtens daß eine Parallele, die er zwiſchen Oranien und Egmont zieht, auf
dieſe beiden Acteure der großen Handlung beſonders aufmerkſam machen konnte.
Ueber den Urſprung des Geuſenbundes, über Egmonts vermittelnde Haltung
und ſeinen ſpäteren Eifer für die königliche Sache (er wird ihm ſowie den
Adeligen, die ſeinem Beiſpiele folgten, von Grotius als Verrat an der gemeinen
Sache angerechnet) werden wir wohl unterrichtet; die Gefangennahme des Helden
durch Alba, die Verletzung der Vließordensprivilegien, die Hinrichtung, die
Trauer der Nation und die Rachegedanken, die ſich in dieſer alsbald erhoben:
dies alles wird gleichfalls, aber in kürzeſter Form dargeſtellt (beſ. S. 36 — 38).
Burgundius und andere Quellen.
In der dem Kurfürſten Maximilian von Bayern gewidmeten „istoria
belgica ab anno 1558* des Nicolaus Burgundius (Ingolſtadt 1629) lag ein
ſtreng katholiſch und ſpaniſch geſinntes Geſchichtsbuch vor. Der Verfaſſer war
Profeſſor des öffentlichen Rechtes an der Univerſität zu Ingolſtadt, er rühmt
ſich in der Vorrede guter Quellen: er habe die Briefſchaften des Viglius, eines
Vertrauten Albas, dann die Korreſpondenz des Königs mit der Regentin ein—
ſehen können. Nach Strada iſt Burgundius wohl die ausführlichſte, beredteſte
Quelle; oft ſchöpfen freilich beide aus derſelben Vorlage, mitunter weichen ſie
aber doch nicht unbedeutend von einander ab. Intereſſant mußte er dem, der
ſich mit der Geſchichte des niederländiſchen Freiheitskampfes beſchäftigte, nament—
lich dadurch werden, daß er Verträge, Verordnungen und andere Aktenſtitcke
wörtlich mitteilt. Eine eingehende Charakteriſtik Egmonts gibt er nicht, wohl
aber Oraniens (S. 65). Der Bilderſturm wird ſogar breiter als bei Strada
erzählt, und Goethe konnte ſeine Schilderung desſelben ihm ebenſowohl ent—
nehmen wie der „Prima decas“. Das Gleiche gilt von der Szene zwiſchen
Oranien und Egmont, denn Burgundius berichtet ſehr genau über die letzte
Unterredung der beiden zu Willebroek. Wenn Egmont im Drama in Bezug
auf König Philipp ſagt: „Bei Gott, man thut ihm unrecht. Ich mag nicht
leiden, daß man unwürdig von ihm denkt“, ſo klingt das wie ein Nachhall
aus Burgundius: „Nicht ſo groß werde der Zorn des Königs ſein“, läßt dieſer
Geſchichtsſchreiber Egmont ſagen, „daß er nicht größeres Vertrauen auf deſſen
Milde ſetze. Faſt ſündige Oranien, daß er jenem einen ſo verbrecheriſchen Treu—
bruch zumute“ (S. 470). Bei Strada findet ſich die Stelle in dieſem Zu—
ſammenhange wenigſtens nicht. — Auch die Ratsſitzung in Madrid, welche im
Drama die Regentin ihrem Vertrauten gegenüber ſo draſtiſch ſchildert, finden wir.
bei Burgundius, wie bei Strada. Dagegen bricht bei jenem die Erzählung
mit der Ankunft Albas ganz ab; zugegeben wird, daß bereits alles beruhigt
war, als er kam (S. 492)4
Von Hopperus gibt es ein „Memorial des Troubles du Pays-Bas“, das
bereits in ldem 1743 veröffentlichten „Analecta belgica“ (Vol I) zu finden
iſt. Es kommt aber für die Hauptmomente des Dramas nicht mehr in Betracht,
da die Erzählung ebenfalls ſchon früher abbricht; doch konnte aus demſelben,
ebenſo wie aus den Briefen des Viglins, die in derſelben Sammlung abgedruckt