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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Schmidt, Otto Eduard: Gian-Francesco Poggio Bracciolini: ein Lebensbild aus dem 15. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0429

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Gian-Francesco Poggio Bracciolini. 419

wieder ans Licht gekommen und bildete eine der wertvollſten Vor—
arbeiten für das Corpus inscriptionum latinarum.

Es war gewiß ein vielfältig angeregtes und anregendes Leben,
in das wir hier einen Blick gethan: man kann dieſen zweiten
Aufenthalt zu Rom vielleicht Poggios beſte Zeit nennen; denn
wenn auch weiterhin ſeine Beleſenheit noch zugenommen hat, ſo
berührt doch in keiner Periode ſeines Lebens die warme Auffaſſung
des Altertums angenehmer, als in der beſprochenen.

Am Anfange der fünften Periode in Poggios Leben ſteht ein
wichtiges Ereignis: ſeine Verheiratung. Ehe wir aber von
ſeinem Familienleben ſprechen, müſſen wir über ſeine früheren Be—
ziehungen zum anderen Geſchlecht ein Wort einſchieben. Poggio
war in dieſem Punkte nicht beſſer und nicht ſchlechter, als die
meiſten ſeiner Freunde. Wenn es ſogar der vornehme Bruni und
der gelehrte Niccolo in ihren jüngeren Jahren nicht verſchmäht
hatten, ſich Sonntags an den Kirchthüren aufzuſtellen und die
hübſchen Weiber zu beäugeln, ſo wird man derartige Neigungen
bei dem lebhaften und leichtlebigen Poggio viel weniger wunderbar
finden. Das Plaudern und Scherzen mit Frauen und Mädchen
gehörte zu ſeinen Erfriſchungen und Erholungen nach geiſtiger
Arbeit. Dabei war er hinſichtlich des Standes nicht wähleriſch,
wenn die Mägdlein nur munter und hübſch waren. Seine Briefe
an Niccolo berichten von manchem Schäferſtückchen: Als er in
Ferentino die Inſchrift eines römiſchen Turmes unter den Strahlen
der Mittagsſonne entzifferte, ſchauten ihm zwei adulescentulae
forma liberali zu; die Augenſprache mit ihnen und dann die
Einkehr in ihrem Häuschen erquicken den ermatteten Forſcher;
auch als er zu Rom am Tiburtiniſchen Thore eine verwachſene
Inſchrift bloßlegte, da fand er liebliche Gehilfinnen in vorbei—
wandelnden Landmädchen, deren Koſen und Scherzen ihm ſeine Mühen
verſüßte. Aber mit ſo zarten Idyllen begnügte ſich Poggio nicht:
er lebte zu Rom, wie die meiſten damaligen Kurialen, in faſt
ununterbrochenem Konkubinat. Seine Konkubine Lucia gebar ihm
14 Kinder, aber das waren nicht die einzigen, als deren Vater
er ſich bekennen mußte. Und doch hat er ſich nie Skrupel gemacht,
ſondern er kam ſich vor wie einer, der immer das Decorum ge—
wahrt hat.! Ja, Poggio fand aus derartigen Verhältniſſen mit
Leichtigkeit und bewunderungswürdigem Humor den Weg zur Ehe

So ſchreibt er einmal an Niccolo II, 21 Conelli): novi hunc (Alexan-
drum) satis recte et vitam suam: non dico non esse eum amicum di
Mona Caterina di Rimieri, sed caute et ita, ut ego caeterique, qui pu—
dorem servant et vitant turpitudinem.
 
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