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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Der Feldzug nach Rußland: aus der Selbstbiographie des Malers Adam, 2
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0465

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Der Feldzug nach Rußland. 455

Regiment), aber die Wildheit dieſes Angriffs ſcheiterte an der
ruhigen Haltung dieſer erprobten Truppen, welche ſie mit einge—
legtem Karabiner erwarteten. Auch die italieniſchen Garden,
welche eben auf das große Schlachtfeld marſchierten und in der
Nähe ſich befanden, bildeten Front gegen die anprallenden Koſaken
und vereitelten ihren Stoß, der auf nichts Geringeres, als auf
einen Angriff im Rücken des linken Flügels abgeſehen war. Wäre
dieſes Manöver gelungen, ſo wären ſämtliche Equipagen des
Prinzen und des Kaiſers in die Hände der Feinde gefallen und
die große Redoute, welche der ruſſiſchen gegenüberſtand, im Rücken
bedroht geweſen. Die Sache ſah auch gefährlich genug aus, da
es gegen 10000 Koſaken geweſen ſein ſollen. Ich hätte mit
meinem guten Pferde das Weite ſuchen können, aber dieſer neue
Akt des furchtbaren Dramas intereſſierte mich ganz beſonders.
Ich verfügte mich zu der italieniſchen Garde und hatte ſo das
Vergnügen, das großartige Reitermanöver in der Nähe zu ſehen.
Bald darnach ritt ich durch das kleine Thal der Kologha auf
meinen vorigen Standort zurück. Auf dieſem Wege begegnete
mir etwas, das faſt ein komiſches Zwiſchenſpiel des Tages zu
nennen iſt. Einem adeligen Stallmeiſter des Prinzen, Namens
Belliſoni, wurde das Pferd unter dem Leibe erſchoſſen. Ein Reit—
knecht ſollte für den Prinzen ein anderes Pferd holen und einen
andern Stallmeiſter mitbringen, um Belliſoni abzulöſen. Dieſes
Los traf den Baron Allemagna, einen Mailänder Kavalier, der
nie in einer Schlacht geweſen und tags zuvor erſt als Kurier
aus Mailand bei der Armee angekommen war. Unterwegs hielt
ich mich an einem Platze, wo es eben nicht mehr ganz geheuer
war, mit Zeichnen auf, als ich plötzlich den Reitknecht mit dem
neuen Pferde und dem Stallmeiſter ſich mir nähern ſah. Alle—
magna, welcher mich von Mailand her kannte, ſchrak zuſammen
und redete mich mit den Worten an: „Aber Adam, was machen
Sie denn da? Sind Sie denn von Sinnen? Da ſitzt der Menſch
ruhig auf ſeinem Pferde und zeichnet, als wenn er zu Hauſe in
ſeinem Atelier wäre, während die Kugeln daherfliegen.“ Dabei
ſah er ſich ganz ſcheu um, ob nicht ſchon eine für ihn ankäme.
„Mein lieber Baron Allemagna,“ ſagte ich, „das iſt eben jetzt
mein Atelier, und an das Pfeifen der Kugeln bin ich ſchon ge—
wöhnt!“ — „Das gewöhne der Teufel!“ war die Antwort, „ich
muß jetzt da hinüber, ich bin ein armer Teufel (son' Povexro
diabolo), meine Ehre, meine Stellung bei Hofe, alles iſt hin,
wenn ich mich jetzt nicht entſchließe, meine Haut zu Markte zu
tragen. Aber Sie! ein Künſtler wie Sie, der ein freier Mann
 
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