Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

DOI Artikel:
Der Feldzug nach Rußland: aus der Selbstbiographie des Malers Adam, 2
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0467

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Feldzug nach Rußland. 457

Es iſt ſelbſtverſtändlich, daß die Ruſſen den Rücken nicht bloß—
geſtellt ließen. Die Kavallerie kam dadurch in ein doppeltes und
dreifaches Feuer in Front und Flanken, aber das Manöver ge—
lang, Napoleon hatte Murat damit beauftragt, er wußte, daß
dieſer der Mann ſei, es auszuführen. Mit welchen Opfern es
aber gelang, davon zeugte der Abend und der folgende Tag.

Der Angriff war prachtvoll, aber ſchauerlich anzuſehen; die
Kriegsfurie war los, alle Waffen in Thätigkeit: das Schwert, das
Bajonett, alle Arten von Geſchoſſen; beſonders fürchterlich haͤuſten
die Kartätſchen in den anſtürmenden Reihen. Ungeheure Staub—
wolken ſtiegen empor und vermengten ſich mit dem Pulverdampfe.
Zwiſchen heraus ſah man die Schwerter unheimlich blitzen, der
Sturm ſauſte über Tote und Verwundete hinweg, über Waffen
und Kriegsgeräte und alles, was am Boden lag; man glaubte,
das wilde Heer tobe vorüber.

Die Redoute wurde durch Küraſſiere genommen, beinahe zu
gleicher Zeit kamen die Kolonnen des Prinzen, der ſie in der
Front angreifen ließ, dort an. General Coulaincourt, der Be—
fehlshaber der Küraſſiere, ſtarb unter den Bruſtwehren dieſes
Vulkans den Heldentod. Auch deutſche Kavallerie nahm bedeuten—
den Anteil an dieſem Kampfe, beſonders Bayern, Sachſen und
Württemberger. Ein ſächſiſches Küraſſierregiment wurde beinahe
ganz aufgerieben, zunächſt der Redoute ſah ich das Feld mit ihren
Leichen bedeckt. Vom J. bayeriſchen Chevauxlegersregiment ſollen
am Abende des 7. September nur noch dreißig Mann mit zwei
Offizieren dienſttauglich und zu Pferde geweſen ſein.

Die Franzoſen wußten die Truppen ihrer Verbündeten, be—
ſonders die deutſche Kavallerie, ſtets recht gut zu verwenden,
in der Regel wurde dieſen nicht die leichteſtẽ Aufgabe an der
Arbeit des Tages zu teil. — Uebrigens hatten alle Regimenter
bei dem verzweifelten Sturme mehr oder minder ungeheure
Verluſte.

Ich ſchätzte mich glücklich, Augenzeuge dieſes großartigen
Schlachttages geweſen zu ſein. Es bleibt nur immer das ſchmerz—
liche Gefühl zurück, alle die ergreifenden Szenen, welche ſich hier
ſo raſch aufeinander häuften, nicht ſogleich auf das Papier bringen
zu können, um ſie der Nachwelt zu überliefern.

Der furchtbare Krater, der acht Stunden hindurch Tod und
Verderben nach allen Richtungen hin verbreitete, war nun zum
Schweigen gebracht. Die franzöſiſchen Adler blinkten von ſeiner
Höhe herab, aber dieſe Erdſcholle war teuer erkauft, faſt zu teuer,
meinten viele.

Zeitſchrift für Allgem. Geſchichte ꝛe., 1886. Heft VI. 30
 
Annotationen