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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Fischer, Hermann: Dahlmann und die Brüder Grimm
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0712

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702 Dahlmann und die Brüder Grimm—

das biographiſche Element aber ganz in den Hintergrund treten läßt. Hier
ſind wir alſo weſentlich auf die Briefe angewieſen, deren ſeit einigen Jahren
eine ſehr große Anzahl, und zwar zumeiſt wirklich wertvolle, erſchienen ſind.
Um auch noch auf Uhland zu kommen, ſo mag bemerkt ſein, daß wir über
ihn ſehr ſchätzenswerthe biographiſche Werke haben, das von ſeiner Witwe her—
ausgegebene und das größere des Freundes Karl Mayer, daß es aber an einer
umfaſſenden wiſſenſchaftlichen Würdigung ſeiner Bedeutung als Dichter und als
Forſcher immer noch fehlt, da das gehaltvolle Buch Friedrich Notters, in welchem
namentlich der Politiker Uhland gut und unparteiiſch behandelt iſt, in jener Be—
ziehung nur leichte Verſuche und Andeutungen gegeben hat und ſeinem Pro—
gramm nach nur ſolche geben konnte.

Uhland ſteht aber für unſere Betrachtung abſeits, wenn er auch noch das
eine und andere Mal zu erwähnen ſein wird.

Dahlmann und die Brüder Grimm ſind nicht gerade früh zuſammen—
getroffen; aber ihre Freundſchaft wurde ſehr ſchnell eine enge und herzliche, wie
ſie denn auch auf tieferer Grundlage wurzelte. Alle drei waren ſchon in den
Vierzig, als ſie im Jahre 1829 nach Göttingen berufen wurden. Ein brief—
licher Verkehr war dem perſönlichen allem nach nicht vorausgegangen; denn die
erften Briefe oder beſſer Zettel, welche zwiſchen ihnen gewechſelt wurden, fallen
ins Jahr 1830. Jedenfalls aber hat ſich in Göttingen alsbald ein ſehr freund—
ſchaftliches Verhältnis ausgebildet; bald fließen auch die brieflichen. Quellen
reicher, ſeitdem Dahlmann an der Politik des hannöveriſchen Staates ſich zu
beteiligen angefangen, an den grundlegenden Geſetzen als Hauptbeteiligter
mitzuarbeiten begonnen hatte und dazu die gelehrte Luft Göttingens auf längere
Friſten mit der politiſch bewegteren Hannovers vertauſchen mußte. Zu Oſtern
1836 kam dann auch Gervinus nach Göttingen, volle zwanzig Jahre jünger
als die drei, aber gleich mit offenen Armen aufgenommen; er war auch ſchon
zuvor mit ihnen in brieflichem Austauſch geſtanden. Das bewegte, durch muntern
Humor gewürzte Leben, das die befreundeten Männer mit ihren Familien und
einem Kreiſe geiſtig Verwandter führten, erhielt nach allzu kurzer Zeit ein jähes
Ende, als die Aufhebung der hannöveriſchen Verfaſſung im Herbſt 1837 den
von Dahlmann entworfenen Proteſt der ſieben Profeſſoren und die ſchnelle Aus⸗
weiſung der drei meiſt gravierten, Dahlmann, Gervinus und Jakob Grimm, zur
Folge hatte. Von da an haben die Freunde ſich nur beſuchsweiſe wiedergeſehen;
bloß als Mitglieder des Frankfurter Parlaments waren Dahlmann, Gervinus und
Jakob wieder einmal auf längere Zeit beiſammen. Wir verdanken aber eben der
räumlichen Trennung die zahlreichen und gehaltvollen Briefe, welche einen tiefen
Einblick in die geiſtige und gemütliche Arbeit dieſer Männer gewähren. Sie treten
hier alle in leibhafter, runder Geſtalt vor uns hin, der ernſte, ja wortkarge,
aber den ſchlagenden und zündenden Ausdruck ſtets findende Dahlmann, der
kraftvoll milde Jakob, der ſinnige, aber mit nadelſcharfem Witz begabte Wilhelm,
der leidenſchaftliche, feurig aufbrauſende und ſchnell verſtimmbare Gervinus.

Der letztgenannte und jüngſte von ihnen tritt verhältnismäßig in den
Hintergrund. Der Briefwechſel zwiſchen Dahlmann und den Grimm nimmt
den gaͤnzen erſten Band der Briefſammlung ein und dieſer erſte Band iſt, was
den Text betrifft, umfänglicher als der zweite; der zwiſchen Gervinus und den
Grimm nicht ganz ein Drittel, der zwiſchen Gervinus und Dahlmann ſtark zwei
 
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