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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Jentsch, Karl: Der Tumulto de' Ciompi, 1: ein Stück florentinischer Verfassungsgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0838

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828 Der Tumulto de' Ciompi.

der einheimiſchen Behörden untereinander als Schiedsrichter zu
fungieren. Die Florentiner ſollen ihren erſten Podeſtà im Jahre
1184 gewählt haben. 1193 wird merkwürdigerweiſe ein Capon—
ſacchi als Podeſtà genannt (die Caponſacchi waren ein floren—
tiniſches, lalſo einheimiſches Geſchlecht). Der aus Lucca berufene
Paganello de' Porcari fungierte zwei Jahre, von 1200 — 1202.
Das Amt ſchien beſonders deswegen unentbehrlich, weil die Adeligen
ſich damals kaum dem Richterſpruche eines Bürgerlichen unter—
wörfen hätten, einheimiſche Adelige aber als Oberrichter zu große
Gewalt erlangt hätten. Von Ridolfo di Capraja (1212) an zeigt
das Verzeichnis der Poteſtaten keine Lücke, iſt ihre Reihenfolge
alſo nicht mehr unterbrochen worden. Es verſteht ſich, daß in
einem Gemeinweſen, deſſen Einrichtungen in beſtändiger raſcher Um—
bildung begriffen ſind, auch die Kompetenzen der Aemter ſchwanken.
Der Podeſta iſt Richter, Vollzugsbeamter ſowohl für ſeine eigenen
Sprüche wie für die Beſchlüſſe der Kommunalbehörden, und hat
die Tendenz, Stadthaupt zu werden, denn er wird mit einem Rate
umgeben und übernimmt zuweilen die Geſchäfte der Konſuln, die
ihrerſeits gelegentlich in ſeinen Amtsbereich eingreifen.

Bald wurde der ariſtokratiſche Konſultitel abgeſchafft; vom
Jahre 1233 ab wurden die Gemeindevorſteher Anziani (anciens)
genannt, was volkstümlicher und vertrauenerregender klang. Im
ſelben Jahre ſtellte man eine Statiſtik des Contado, der Landſchaft,
auf. Die Einwohner derſelben mußten vor den Notaren der Stadt—
viertel erſcheinen und ihren Stand anmelden, ob ſie Adelige, Ritter,
Allodialbeſitzer, masnadieri (Soldaten, bezw. Wegelagerer), Halb⸗
winner (Pächter), Tagelöhner, abhängige oder unabhängige Leute
(eigentliche Sklaven gab es ſchon damals nicht mehr) ſeien; Unter—
laſſung der Anmeldung wurde ſtreng beſtraft; die Zählungsliſten
ſind leider verloren gegangen.

Perrens ſcheint recht zu haben, wenn er die Einführung der
Anzianen lediglich als Aenderung eines Titels bezeichnet, die man
als Verfaſſungsänderung nicht gelten laſſen könne. Die erſte
große Neuerung, welche wirklich eine neue Verfaſſung genannt
werden darf, vollzog ſich im Jahre 1250 mit der Organiſation
der Bürgermiliz, durch welche der Republik für die ganze übrige
Zeit ihres Beſtehens der bürgerliche Charakter geſichert ward. Es
iſt bekannt, daß die Bemühungen Karls des Großen um Begrün—
dung eines Volksheers, deſſen Kern eine aus freien. Bauern be—
ſtehende Infanterie bilden ſollte, nicht bloß an dem Hochmute der
Feudalherren, ſondern auch an der Abneigung der kleinen Leute
ſcheiterten; weder der Bauer noch der Handwerker, deren beider
 
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