Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

DOI Artikel:
Jentsch, Karl: Der Tumulto de' Ciompi, 1: ein Stück florentinischer Verfassungsgeschichte
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0843

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Tumulto de' Ciompi. 833

welche aus dem popolo grasso gewählt wurden. Hatten dieſe
zugeſtimmt, ſo wurde die Einwilligung der zwei Räte des Capi—
tano del popolo eingeholt. Der eine, di credenza (Geheimrat)
genannt, beſtand aus 80 Mitgliedern; der andere, der „General—
rat“, umfaßte 300 Mitglieder. Die Achtzig waren Vertreter der
Zünfte und wurden capitudines artium genannt. Beide Räte
verſammelten ſich in ein und derſelben Kirche, natürlich in ver—
ſchiedenen Räumen derſelben, und vereinigten ſich nach Schluß
der Separatverhandlungen zu einer gemeinſamen Sitzung. Am
folgenden Tage wurde die Sache den beiden Räten des Podeſta
vorgelegt; der engere hatte 90, der weitere 300 Mitglieder, ſo daß
an der gemeinſchaftlichen Sitzung 390 Perſonen teilnahmen. In
wichtigen Fällen vereinigten ſich alle dieſe Körperſchaften zum con—
siglio del popolo (Volksrat), welchem der Capitano del popolo
präſidierte, und in außerordentlichen Fällen wurde ein „Parla—
ment“, d. i. eine Verſammlung aller ſtimmberechtigten Bürger,
einberufen. Perrens beweiſt aus dem Geſchäftsgange dieſes ver—
wickelten Mechanismus, daß in demſelben für die Entfaltung
parlamentariſcher Rhetorik weder Zeit noch Raum blieb. Schrift—
ſteller des Cinquecento, wie Macchiavelli, haben nachträglich die
Erzeuger nicht gehaltener Reden dadurch entſchädigt, daß ſie ihnen
ſehr ſchöne, kunſtreich ſtiliſierte Reden in den Mund legten. Für
die laufenden Angelegenheiten hatte jede der genannten Körper—
ſchaften ihre beſonderen Kompetenzen. Bei der großen Zahl der
Ratsherrnſtellen und dem häufigen Wechſel der Inhaber konnte
es nicht fehlen, daß alle wahlfähigen Bürger einigemal oder we—
nigſtens einmal daran kamen, wofern nicht, wie das allerdings
ſpäter geſchah, gewiſſe Perſönlichkeiten und Familien durch künſtliche
Vorkehrungen ausgeſchloſſen wurden.

Nachdem im Jahre 1280 der Kardinal Latino zwiſchen den
ghibelliniſchen und welfiſchen Familien in Florenz Frieden geſtiftet.
hatte, wurde zur Befeſtigung desſelben die Zahl der 12 buoni
uomini auf 14 erhöht, mit der Beſtimmung, die Aemter ſollten
zwiſchen Welfen, Ghibellinen und Unparteiiſchen nach dem Ver—
hältniſſe der Kopfzahl verteilt werden. In Wirklichkeit wurden
die Unparteiiſchen ganz übergangen und die neue Regierung aus
S Welfen und 6 Ghibellinen zuſammengeſetzt (Macchiavelli ſagt
II, 11: 7 Ghibellinen und 7 Welfen), je ein Grande, die übrigen
Popolanen. Die Amtsdauer wurde auf 2 Monate feſtgeſetzt. Der
Capitano della parte guelfa, alſo das offizielle Haupt der Welfen—
partei (von welchem noch die Rede ſein wird), wurde conservator
pacis genannt, wozu er offenbar ſeiner Natur nach wenig geeignet
 
Annotationen