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Zeitschrift für allgemeine Geschichte, Kultur-, Litteratur- und Kunstgeschichte — 3.1886

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Jentsch, Karl: Der Tumulto de' Ciompi, 1: ein Stück florentinischer Verfassungsgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.52691#0849

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Der Tumulto de' Ciompi. 839

von den Zünften geſtellt werden, fangen die letzteren an, ſich der
Staatsgewalt zu bemächtigen. Dieſelbe fällt ihnen ganz und gar
zu, als ihre Vorſteher und Bannerherren (Signori e Collegi) in
den Regierungspalaſt einziehen. Aber bald ſehen ſich die oberen
7 Zünfte genötigt, den 5 angeſehenſten aus den 14 unteren An—
teil an der Regierung einzuräumen, und ſchon machen auch die
übrigen 9 ihre Rechte geltend. Mit deren Hilfe gelingt es, den
Magnaten den letzten Reſt ihres Einfluſſes zu nehmen, und damit
ſie nicht noch einmal ihre Häupter erheben, wird ihnen der Banner—
herr der Gerechtigkeit gewiſſermaßen als Zuchtmeiſter beſtellt, der
ſich aber mit der Zeit zum Vorſitzenden der Signoria erhebt. Eine
vielräderige Maſchine von Behörden und Ratskörperſchaften, die
ſich gegenſeitig mehr hemmen und kontrollieren als unterſtützen,
ſorgt dafür, daß weder ein einzelner Beamter noch eine einzelne
Körperſchaft übergroße Gewalt erlangen und auf die Dauer be—
haupten könne. Allein, leben die Großen nicht mehr als privi—
legierte Adelige fort, ſo leben ſie als Glieder der Zünfte fort.
Der Familienſtolz, die Neigung zu Parteiungen und Gewaltthätig—
keiten ſind nicht erloſchen; und neue Popolanengeſchlechter, mit
dem Adel verſchwägert und vervettert, bieten ſich dem Magnaten—
geiſte als neue Gefäße dar, nachdem der größte Teil der alten
bei den Ghibellinenvertreibungen zerſchlagen worden. Um volks—
freundlich und volkstümlich zu ſcheinen, nimmt die neue Ver—
brüderung vornehmer Familien den Namen „Welfenpartei“ an,
organiſiert ſich als Staat im Staate, verſucht die Regierung unter
die Herrſchaft des Klubs zu beugen, die dem Klub nicht Ange—
hörigen von der Regierung auszuſchließen und die Aemter in
einigen wenigen Familien feſtzuhalten, die nun wiederum anfangen,
ſich als neuer Adel zu gebärden, der das bürgerliche Geſetz nicht zu
reſpektieren braucht. Aus dieſer Lage erwuchs die Spannung,
welche im Jahre 1378 ihre gewaltſame Löſung fand, in folgender
Weiſe.

Obwohl das Erſcheinen Karls IV. in Toskana die ſtädtiſche
Freiheit nicht im mindeſten bedrohte, gab es doch den Partei—
häuptern willkommenen Anlaß, die längſt bedeutungsloſen Namen
Welfe und Ghibelline wieder zu beleben. Ein Ricci war es, der
zuerſt den Verſuch machte, der feindlichen Familie Albizzi durch
den Schimpf des Ghibellinennamens einen tödlichen Streich zu
verſetzen. Zwar mißlang der Anſchlag ſo vollſtändig, daß den
Albizzi ſogar die Führung der Welfenpartei zufiel, aber die ver—
hängnisvolle Loſung war einmal ausgegeben. Die alten Geſetze
gegen die Ghibellinen wurden erneuert, neue hinzugefügt. Glieder
 
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