- 136 Vittorio Alfieri.
ſtein geworden. Dagegen hat die Einſeitigkeit und Inhaltsarmut
ſeiner politiſchen Begriffe um ſo ſchädlicher auf manche Kreiſe der
folgenden Generationen gewirkt, je unwiderſtehlicher das leiden—
ſchaftliche Pathos ſeines Vortrags die Gemüter hinriß und über
die praktiſche Wertloſigkeit ſolcher Ergüſſe täuſchte. Wie viele
ſeiner ſchneidigen, epigrammatiſch zugeſpitzten Verſe über Freiheit
und Tyrannei, über Sklaventum und Opfertod ſind zu geflügelten
Worten im Munde des italieniſchen Volkes geworden und zu wirk—
ſamen Waffen im Arſenal des abſtrakten, deklamierenden Radika—
lismus, der dem Geiſte dieſer Nation ſo nahe liegt und ihre Ge—
ſchicke ſo ſchwer geſchädigt hat. Von dem Politiker Alfieri geht
der direkte Weg nicht zu Cavour, ſondern zu Mazzini.
Aber vergeſſen wir nicht, welcher Epoche der Schriftſteller und
ſeine Schöpfungen angehören. Mit dem Beginn der neunziger
Jahre lagen die dichteriſchen Hauptwerke Alfieris, ſeine Tra—
gödien, bereits abgeſchloſſen vor; alles Spätere iſt nur Nach—
klang von ihnen; ſeine dichteriſche Kraft im großen Stil iſt
mit ihnen erſchöpft. Durch dieſe Werke vornehmlich, Zeitge—
noſſen unſerer Sturm- und Drangperiode, hat er ſeine Wirkung
geübt, ganz ein Sohn des 18. Jahrhunderts. Mächtiger aber,
als die einzelnen verwirrenden und mißleitenden Impulſe, die von
ihm ausgingen, iſt doch der erhebende und befreiende Eindruck
des Ganzen ſeiner geiſtigen Perſönlichkeit geweſen, und das Mo—
nument in Santa Croce, welches die trauernde Gräfin Albany
dem Freunde durch Canova errichten ließ, wurde ein Wallfahrts—
ort, zu dem in den folgenden Zeiten der Unterdrückung Genera—
tionen gepilgert ſind, ſchwermütig, aber mit den unauslöſchlichen
Hoffnungen im Herzen, für welche Alfieri zuerſt den Mut und
das Wort gefunden hatte.
ſtein geworden. Dagegen hat die Einſeitigkeit und Inhaltsarmut
ſeiner politiſchen Begriffe um ſo ſchädlicher auf manche Kreiſe der
folgenden Generationen gewirkt, je unwiderſtehlicher das leiden—
ſchaftliche Pathos ſeines Vortrags die Gemüter hinriß und über
die praktiſche Wertloſigkeit ſolcher Ergüſſe täuſchte. Wie viele
ſeiner ſchneidigen, epigrammatiſch zugeſpitzten Verſe über Freiheit
und Tyrannei, über Sklaventum und Opfertod ſind zu geflügelten
Worten im Munde des italieniſchen Volkes geworden und zu wirk—
ſamen Waffen im Arſenal des abſtrakten, deklamierenden Radika—
lismus, der dem Geiſte dieſer Nation ſo nahe liegt und ihre Ge—
ſchicke ſo ſchwer geſchädigt hat. Von dem Politiker Alfieri geht
der direkte Weg nicht zu Cavour, ſondern zu Mazzini.
Aber vergeſſen wir nicht, welcher Epoche der Schriftſteller und
ſeine Schöpfungen angehören. Mit dem Beginn der neunziger
Jahre lagen die dichteriſchen Hauptwerke Alfieris, ſeine Tra—
gödien, bereits abgeſchloſſen vor; alles Spätere iſt nur Nach—
klang von ihnen; ſeine dichteriſche Kraft im großen Stil iſt
mit ihnen erſchöpft. Durch dieſe Werke vornehmlich, Zeitge—
noſſen unſerer Sturm- und Drangperiode, hat er ſeine Wirkung
geübt, ganz ein Sohn des 18. Jahrhunderts. Mächtiger aber,
als die einzelnen verwirrenden und mißleitenden Impulſe, die von
ihm ausgingen, iſt doch der erhebende und befreiende Eindruck
des Ganzen ſeiner geiſtigen Perſönlichkeit geweſen, und das Mo—
nument in Santa Croce, welches die trauernde Gräfin Albany
dem Freunde durch Canova errichten ließ, wurde ein Wallfahrts—
ort, zu dem in den folgenden Zeiten der Unterdrückung Genera—
tionen gepilgert ſind, ſchwermütig, aber mit den unauslöſchlichen
Hoffnungen im Herzen, für welche Alfieri zuerſt den Mut und
das Wort gefunden hatte.