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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 4.1907/​1908

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Heft 7
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Frimmel, Theodor von: Zu den Metternich-Bildern im Wiener Hofmuseum
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https://doi.org/10.11588/diglit.57691#0188

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i6o

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 7.

figur, die zugleich mythologische Dar'
Stellung und Bildnis ist. Wie mir Fürst
Paul erzählte, hätte Lawrence, als er
in Wien war und den Staatskanzler
Metternich malte, nach einem Modell
für eine Hebe gesucht, für ein Bild,
das er im Auftrage des englischen Hofes
zu malen hatte. Er begegnete Prinzessin
Klementine, ohne sie zu kennen, und
fand in ihr ein so passendes Vorbild
zu seiner Hebe, daß er ihr folgte, bis
sie in der Stadt in der fürstlich Metter-
nichschen Zentralkanzlei verschwand.
Dort erfuhr der Maler, wer die junge
Dame gewesen. Bei der nächsten Sitzung
des Staatskanzlers erbat sich Lawrence
die Erlaubnis, die Prinzessin als Hebe
malen zu dürfen. Die Erlaubnis wurde
erteilt und zunächst entstand eine duf-
tige Zeichnung des lebensgroßen Kopfes.
Das wertvolle Blatt ist mit des Malers
Namen und der Jahreszahl 1818 ver-
sehen. Auch diese Zeichnung befindet
sich jetzt im Wiener Hofmuseum. Da-
nach wurde das Ölbild vollendet, das
Prinzessin Klementine in halber Figur
darstellt, mit dem Adler des Olympiers
neben sich und gewissermaßen in den
Lüften schwebend. Nichts erinnert an
die Erde. Den Grund bilden bläuliche
Wolken.
Wenn auch in der Erzählung des
Fürsten Paul vermutlich die Einzelheiten
nicht unbedingt zuverlässig sind (denn
sie wurden bei anderen Gelegenheiten
auch etwas anders erzählt),*) so mag
doch die Hauptsache richtig sein. Die
Angabe von der Erlaubnis zum Zeichnen
der Prinzessin Klementine bei Gelegen-
heit einer Sitzung des Fürsten paßt nicht
zu den sonst bekannten Jahreszahlen.
Denn das Fürstenbildnis dürfte um etwa
drei Jahre früher fallen als die Hebe.
Lawrence vollendete das Klementinen-
bildnis in England. Mittlerweile war die
*) Zu vgl. Gazette des beaux-arts, 1893,
I, S. 35ff., und Gower und Graves: Sir T. Law-
rence, S. 45 ff.

Prinzessin an „galoppierender Lungen-
sucht“ erkrankt. Das elegante Porträt,
als es in Wien eingetroffen war, wurde
ihr gezeigt. Sie begehrt einen Spiegel
und wird ihr abgezehrtes Antlitz gewahr.
„Mon Dieu, que je suis changee!“ rief sie
aus. Die Krankheit nahm ihren Verlauf
in einer Zeit, die noch kein Heilmittel
dafür hatte. Am 6. Mai 1820 starb die
schöne Hebe. Das Fürstenbildnis aber,
um auf dieses Werk des Lawrence zu-
rückzukommen, war schon 1815 in
London ausgestellt gewesen, und zwar
in der Royal Academy*). 1815 war der
Fürst 42 Jahre alt. Das würde zum
Antlitz auf dem Bildnis von Lawrence
passen.**) Die Prinzessin war, als sie
von Lawrence gezeichnet wurde, etwa
15 Jahre alt.
Lawrence ist in der Metternich-
sehen Sammlung auch durch ein lebens-
großes Brustbild von Gentz vertreten
und durch ein Aquarell mit der Dar-
stellung einiger Kinder. Dieses Blatt ist
nicht im Hofmuseum zu finden.

*) Vgl. Gower und Graves: „Sir Thomas
Lawrence“, 1900, im Verzeichnis Nr. 149. —
1880 war das Wiener Exemplar aus dem Palais
Metternich in der Wiener Porträtausstellung
zu sehen als Nr. 514, 1896 in Wien als Nr. 1840,
und zwar als Hauptstück des „Metternich-In-
terieurs“. — Lawrence malte offenbar während
eines seiner Aufenthalte in Wien auch ein
Aquarell, das Kaiser Franz darstellt. Dieses
Blatt befindet sich im Schloß Chantilly (vgl.
das „Itineraire“ des Musee Conde, S. 10,
Nr. 157, und Gower-Graves: „Lawrence“, wo
das Aquarell abgebildet ist). — Die Hebe (Kle-
mentine Prinzessin Metternich) war u. a. 1880
in Wien zu sehen und 1892 in Paris. Ein
farbiger Kupferdruck von Ä. Bertrand nach
der Hebe in Gazette des beaux-arts, 1893, Bd. I.
**) es ist oft abgebildet worden, u. a. im
Historischen Porträtwerk von W. v. Seidlitz.
Mindestens vier Exemplare des Metternich-
Bildnisses von Lawrence sind bekannt; das
vielleicht älteste befindet sich in Windsor, ein
weiteres jetzt im Wiener Hofmuseum; ein
etwas schwächeres Exemplar war jüngst in
der Berliner Ausstellung englischer Meister zu
sehen und ein viertes befindet sich zu Wien
im Ministerium des Äußern.
 
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