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Die Gartenkunst — 10.1908

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Schall, H.; Singer, Wolfgang: Der Garten des Prof. E. v. Seidl in Murnau in Oberbayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.49258#0013

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X, 1

DIE GARTENKUNST.

3

Zwischen der Birkenallee und dem Bahndamm
sind 6 Weiher angelegt, deren 3 unterste durch eine
Gemeindestraße von den höher gelegenen getrennt sind.
Am obersten der Weiher erhebt sich eine reizende,
sehr wohnlich eingerichtete Gloriette, über ihr, in der
Birkenallee, unter Bäumen versteckt, befindet sich der
Eiskeller. Von der Gloriette führen Betonstufen in das
Badebassin (Bild 1, Seite 1).
Der Wasserüberlauf von einem Bassin zum anderen
vollzieht sich in Form verschiedener Kaskaden. Starke
Dämme, deren einer begehbar ist, scheiden die 3 oberen
Weiher voneinander. Einige Weiher dienen nebenbei
der Fisch- und Geflügelzucht.
Diese weitaus-
gedehnten Anlagen
bieten eine Fülle
von Abwechslung,
wie man solche sel-
ten findet und ihr
Besitzer hat sich
hier ein Heim ge-
schaffen, wie es
nicht schöner ge-
dacht werden kann.
H. Schall,
München.
II.
Nach Düssel-
dorf , Darmstadt,
Mannheim freute ich
mich ordentlich auf
einen „Professoren-
garten“ , der nicht
auf Ausstellungs-
effekt und Tendenz
zugeschnitten, son-
dern vom Künstler
ausschließlich zum
eigenen Gebrauch
und Genuß ange-
legt war; darum
scheute ich nicht die lange Bahnfahrt von mehr als
400 km, um mit meiner Gruppe den mir des öfteren
gerühmten Sei dl sehen Garten zu besuchen; im voraus
sei’s bekannt: ich hatte die Mühe wahrlich nicht zu
bereuen!
Eine Beschreibung des Gartens ist von anderer
Seite zugesagt, ich will und kann mich deshalb unter
Fortspinnung meines Mannheimer Vortrages auf eine
kritische Würdigung bezüglich der grundsätzlichen
Fragen über moderne Gartengestaltung beschränken.
Der ursprüngliche Seid Ische Besitz ist im Laufe
der Jahre bedeutend vergrößert und das Zugekaufte
allmählich an die bestehenden Gartenanlagen ange-
gliedert worden, wobei klar und deutlich des Künstlers
fortschreitende Vervollkommnung in der Gestaltung

und Beherrschung des schwierigen Materials, der Ein-
fluß des wachsenden Vertiefens in das Natur- und
Pflanzenstudium zu verfolgen ist. Während im älteren
Teile vom Eingang bis zum Wohnhause, das im Äußern
wie ganz besonders im Innern die echte Behaglichkeit
eines fröhlichen Künstlerheims atmet, eine allzu ge-
mischte Bepflanzung und die Aufdringlichkeit bunt-
farbiger Gehölze noch das Vorbild der üblichen Land-
schaftskarrikatur erkennen läßt (Professor v. Seidl
sagte mir übrigens selbst, daß er das heute ganz
anders machen würde), finden wir in den neueren Par-
tien eine ganz selbständige Auffassung landschaftlicher
Gestaltung verschiedenster Art mit einer Menge be-

strickend schöner Einzelbilder. Nach den Taten an-
derer Professoren war es mir zunächst auffallend, daß
Seidl überhaupt und namentlich auch in der aller-
nächsten Umgebung des Hauses das landschaftliche
Prinzip bevorzugt, denn außer am Eingang und auf
der Südseite des Hauses mit der Pergola, für die mir
persönlich anstatt des dem italienischen Weingarten
entlehnten Naturholzmotivs eine streng architektonische
Lösung passender dünkt, finden wir nur wenig regel-
mäßige Gliederungen, so den Wandelgang mit den
beiden Hirschgruppen, den Freundschaftshügel mit den
hochragenden Pyramidenpappeln, die lustige Birken-
allee im unteren Teile und den hochgelegenen, mauer-
umschlossenen Gemüsegarten, der in seiner ganzen
Anlage — die schiefwinklige Form tritt unter der raffi-


Aus dem Garten des Prof. E. v. Seidl in Murnau in Oberbayern.
4. Der Gemüse- und Obstgarten.
 
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