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Die Gartenkunst — 10.1908

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Mayr, Heinrich: Über die Herbstfärbung der Laubbäume
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Pudor, Heinrich: Die Blumenkunst Japans, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49258#0070

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60

DIE GARTENKUNST.

X, 4

Nyssa und viele andere behalten auch in Europa ihre
Färbung bei; ebenso erfreut sich das Auge jedes Be-
schauers an den herrlichen Koloriten der japanischen
Bäume, der Ahorne, Keaki und der samtbraunen
Magnolien.
Der Frühling mit seinen zarten, grünen Tönen
wäre eine herrliche Jahreszeit, wenn er nicht so launisch
wäre und den Pflanzenfreund nicht mit steter Sorge
ob der Nachtfröste erfüllte; der Sommer gleicht alles
mit einförmigem Grün wieder aus, er ist monoton und
lähmt oft durch Hitze den Genuß; am farbenreichsten
ist der Herbst; jeden Tag ein anderes, buntes Bild,
köstlich die Luft,
herrlich der Him-
mel und wir Men-
schen nennen so
etwas — Alt-
weibersommer 1

Die Blumen-
kunst Japans.
Von
Dr. Heinrich Pudor.
Es gibt kaum
ein anderes Land,
über das so viel
und vor allem so
viel Irrtümliches
geschrieben wor-
den ist, wie über
Japan. Das gilt
ebenso von den
Sitten, wie von
der Kunst der
Japaner. Selbst
noch vieles von
dem, was heute als japanisches Industrie-Erzeugnis in
Europa überschwenglich gerühmt wird, ist entweder
gefälscht oder minderwertig. Und soweit die hohe
Kunst in Frage kommt, wurden die japanischen Farben-
holzschnitte Mode in Deutschland, aber die eine weit
höhere Kunststufe einnehmenden Gemälde und plasti-
schen Kunstwerke werden vernachlässigt; ein Zeichner
wie Hokusai wurde in den Himmel gehoben (vergl.
z. B. die bei Velhagen und Klasing erschienene Mono-
graphie) und weit bedeutendere künstlerische Talente
Japans wurden übersehen.
Auch auf dem Gebiete der Ästhetisierung des
Lebens, die für die japanische Kultur so ausserordent-
lich wichtig ist, sind bei uns irrtümliche und lücken-
hafte Kenntnisse verbreitet. Und doch ist die japa-
nische Kunst und die Geisteskultur Japans nur zu
verstehen, wenn man das Geschmacksraffinement des
Japaners in allen Dingen, welche zum täglichen Leben
in Haus und Heim in Beziehung stehen, in Betracht

zieht. Nach dieser Rücksicht scheinen die Japaner
ein weit älteres und auf höherer Stufe stehendes Kultur-
volk zu sein, als die Europäer: sie übertreffen darin
in noch höherem Maße die Franzosen, als diese die
Deutschen. Innerhalb dieses Gebietes aber einer
Ästhetisierung des täglichen Lebens wiederum ist die
Kunst des Japaners, die Blumen zu arrangieren, die
wichtigste. Sie ist geradzu eine Art Kultus, der ebenso
wie der religiöse Kultus seine Gesetze hat, die streng
befolgt werden. Man kann füglich von einem Ritus
des Blumenarrangements in Japan sprechen.
In der Tat soll die japanische Blumenkunst alt-
indisch-religiösen
Ursprungs sein
und ursprünglich
dazu gedient ha-
ben , das Leben
der als heilig und
als beseelt gel-
tenden Blumen
zu verlängern.
Noch heute be-
schäftigen sich
vorzugsweise
Priester und Phi-
losophen, nicht
also etwa nur
Frauen mit der
Blumenkunst.
Der Priester Sto-
t o k u T a i s h i
soll die Blumen
in sieben Grup-
pen geteilt ha-
ben: Landpflanze,
Landbaum,
Waldpflanze,
Waldbaum, Berg-
pflanze , Berg-
baum und Wasserpflanze. Heute noch wird in der
Blumenkomposition Rücksicht darauf genommen, ob
eine Pflanze auf dem Berge, in der Ebene, am Flusse
oder im Wasser wächst.
Zugleich aber ist dieser Blumenkultus eine Kunst,
eine Kunst nicht etwa in dem Sinne, als wir von einer
Kunst des Billardspielens oder von einer Kunst, Blumen
zu züchten, sprechen, sondern Kunst in dem Sinne der
reinen Kunst, ähnlich der Malerei. Und wir werden sehen,
daß in der Tat die Malerei in engster Beziehung zur
Blumenkunst steht. Ebenso werden wir ausführlich
von den ästhetischen Gesetzen dieser Kunst handeln.
Nur in einer Beziehung sind wir in Verlegenheit, näm-
lich wie wir diese Kunst mit einem kurzem Wort be-
zeichnen sollen. Ähnlich wie wir von der Tonkunst
sprechen, könnte man sie einfach Blumenkunst nennen,
nur darf man dabei nicht an die Blumenzucht denken.
Von der Tonkunst könnte man auch das Wort Kompo-
sition entlehen, denn um Blumenkompositionen künstleri-


Rhododendron mit vorgepflanzten Ericen in einem kleinen Hausgarten.
 
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