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Die Gartenkunst — 10.1908

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Heicke: Naturalismus oder Kunst?
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Mielke, Robert: Heimatschutz und Landesverschönerung: Vortrag gehalten auf der Hauptversammlung der D. G. f. G. in Mannheim, [3]
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182

DIE GARTENKUNST.

X. 10

Wiederholt schon sprach ich die Erwartung aus,
daß diejenigen modernen Künstler, welche sich ernst-
haft mit der Gartengestaltung befassen und nicht ledig-
lich Kritik üben, allmählich mit den Wirkungsmöglich-
keiten der freieren Gestaltungsweise vertraut werden
und ihr dann ganz von selbst Zugeständnisse machen
würden. Diese Erwartung bestätigt sich bereits, und
ich hoffe, daß wir hierin bald noch erheblich weiter-
kommen werden. Kein Geringerer als Paul Schultze-
Naumburg liefert dafür den Beweis in seinem Schaffen.
Und ein unter dem Pseudonym Otto Bernhardt
schreibender Darmstädter antwortet im „Kunstgewerbe-
blatt“ auf die Frage: Warum denn alles viereckig, ab-
gezirkelt?: „Es ist nicht die Viereckform, die wir
wollen; die ist uns im Grunde gleichgültig. Das, was
wir erstreben, ist Harmonie und Rhythmus. Wir
haben also nichts gegen die runde und ovale Form
und gegen eine unsymmetrische Anordnung. Wir halten
sie nur für schwerer und finden es klüger, mit dem
Leichteren anzufangen.“
Mir sind diese Worte aus der Seele gesprochen.
Harmonie und Rhythmus — nicht die äußere
Form ist es, worauf es bei Schaffung künstlerisch be-
friedigender Gartenanlagen ankommt. Wenn das Ver-
ständnis für diese Forderung wieder bei allen, Garten-
besitzern und Gartenschöpfern, geweckt ist, dann hat
die neuzeitliche Bewegung ihre Aufgabe im Garten
erfüllt.

Heimatschutz und Landesverschönerung.
Vortrag gehalten auf der Hauptversammlung der D. G. f. G.
in Mannheim von Robert Mielke, Charlottenbürg.
(Schluß.)
Dagegen bieten einzelne Anlagen wie Dorfanger,
Kirchhof, — vielleicht auch die Feldflur — Ge-
legenheit, wenigstens Geschmacklosigkeiten zu ver-
hüten. Gerade in der allerjüngsten Zeit machen sich
Bestrebungen geltend, Grundsätze städtischer Garten-
anlagen auf das Dorf zu übertragen, indem man aus
der besten Absicht heraus, Promenaden und Parks für
die Dörfer schaffen möchte oder die Hausgärten, bei
denen uns der Individualismus, der trotzdem von einer
engen bodenständigen Überlieferung getragen wurde,
und die Freiheit, mit der Zier- und Gebrauchsgarten
durcheinanderspielten, so sehr erfreuten, in Prunkgärten,
mit Eisenstaketen, und allen Requisiten geschmack-
loser Industriearbeiten umwandeln möchte. Da hätten
wir dann glücklicherweise die Bewegung, welche das
moderne Landhaus an die Stelle des alten Bauern-
hauses gesetzt hatte, auch auf den Hausgarten losge-
lassen. Hier kann nicht die ausübende Kunst helfen,
sondern die Zurückhaltung, welche vor Torheiten
bewahrt, oder die bewußte Absicht, schöne alte Bäume,
seltene Pflanzengemeinschaften vor der Vernichtung zu
bewahren. Man hat ja wohl auch versucht, die Flur
mit ihrem Baum- und Heckenbestand, mit ihren Ge-

treidefeldern und Wiesen in das Reich der Garten-
kunst einzubeziehen — ich brauche nur an Branitz
und Muskau zu erinnern, auch in Semlew in Neuvor-
pommern hat ein Graf Behr-Negendanck etwas Ähn-
liches geschaffen, — aber das sind Ausklänge von
Parkanlagen, möglich nur auf Rittergütern und ohne
jede Rückwirkung auf bäuerliche Verhältnisse. Einer
Änderung dieses Standpunkts möchte ich nicht das
Wort reden.
Wesentlich anders liegen die Verhältnisse bei
Kurorten und Sommerfrischen, die ja so recht Kinder
unserer Zeit sind — ungebärdig und überhebend wie
Rangen zu sein pflegen, aber auch erziehungsbedürftig
und erfolgversprechend, wenn sie in die richtigen Hände
kommen. Ich muß es mir versagen, hier weiter ein-
zugehen, da dies ein besonderes Gebiet für sich ist,
das sich aber mehr mit der städtischen und Garten-
kunst berührt als mit der Landespflege. Dagegen
dürften moderne ländliche Industriebauten um so eher
in das Arbeitsreich des Landschaftskünstlers fallen,
als seine gezwungene Teilnahmslosigkeit zumeist das
häßliche Bild verschuldet haben, das sie bieten. Ältere
Fabrikanlagen im Erzgebirge oder Süddeutschland, die
mit ihren Grundlagen auch da noch auf den Boden
der natürlichen Landschaft stehen, wo sie außerhalb
bewohnter Orte liegen, beweisen auch bei größeren
Verhältnissen, daß sie mit dem Baumbestand trotz
Schornstein und Weiträumigkeit keine häßlichen Er-
scheinungen sind. Freilich sind Bäume nicht immer
vorhanden; wenn aber die Bauherren solche wünschen,
werden die Landschaftskünstler nicht versagen, durch
richtige Auswahl und Pflege wieder einzubringen, was
die Industrie schädigen mußte.
Ein großes Arbeitsgebiet berührt sich aber stark
mit dem Flurbilde, nämlich die großen und ein-
schneidenden Umwandlungen, die der Mensch außer-
halb des landwirtschaftlichen und gärtnerischen Be-
triebes auf dem Lande vornimmt: Eisenbahnen mit
ihren Dienstbauten, Land- und Wasserstraßen jeder
Art. Ich kann sie zusammenfassen unter dem Losungs-
wort Straße. Soweit die Aufgabe des Ingenieurs reicht,
wird ja der Landespflege nur eine bescheidene Mit-
wirkung zugebilligt werden; sowie jene aber erledigt
ist, wird diese anfangen müssen. Vor einigen Tagen
erst ist ein ministerieller Erlaß in Preußen ergangen,
der sich die Pflege der vorhandenen Hecken an den
Bahndämmen angelegen sein läßt. Ich möchte wünschen,
daß man hier noch einen Schritt weiter ginge und die
Schaffung solcher Flecken überhaupt ins Auge fassen
wollte. Nirgends vielleicht bietet sich eine so günstige
und wohlfeile Gelegenheit, die Nachteile, welche so
häufig mit der Separation durch die Vernichtung der
Hecken und ihrer Wichtigkeit für die Vogelwelt ver-
bunden sind, wieder auszugleichen als an den Eisenbahn-
dämmen. Aber auch die Landstraßen könnten durch
mehr Methode in der Baumbepflanzung gewinnen. Ich
bin der Meinung, daß man in Deutschland noch viel
mehr Obstbäume pflanzen sollte, aber daß man dabei
 
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