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Die Gartenkunst — 10.1908

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Hoemann, Reinhold: Die Einfachheit in der Gartenkunst: Vortrag, gehalten auf der Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst am 27. Juli 1908 zu Potsdam, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49258#0157

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X, 9

DIE GARTENKUNST.

147


Sudbrooke Holme: Terrasse auf der Westseite des Herrenhauses. Vorhof. (Blick F.)

Die Einfachheit in der Gartenkunst.
Vortrag, gehalten auf der Hauptversammlung der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst
am 27. Juli 1908 zu Potsdam.
Von Reinhold Hoemann, Gartenarchitekt, Düsseldorf.

Meine Herren! Mitten in die Wirklichkeit, in das
Jetzt, wie es heute um uns flutet, führe ich Sie hinein,
fordere Sie auf, Umschau zu halten in diesem Jetzt,
eine Umschau mit klarem hellem Blick. Ich fordere
Sie auf, mitzuleben und mitzuerleben, mit zu fragen
und zu suchen und dann, wenn Sie recht gesucht haben,
auch mit mir zu finden. Und wenn wir nun Umschau
halten im Leben, so können wir nicht umhin, anzu-
erkennen, daß wir in einer Zeit der Entwickelung uns
befinden, gerade jetzt, gerade in den letzten Jahren.
Eine neue, freie Weltanschauung, benutzend die er-
staunlichen Ergebnisse wissenschaftlicher Forschung,
beginnt eine ältere Weltanschauung mit ihrem starren
dogmatizistischen Wunderglauben zu verdrängen.
Der Mensch fühlt sich in dieser neuen Anschauung
wieder mehr und höher verantwortlich für sich selbst
und seine Umwelt. Der neue Mensch sucht wieder
zu einer inneren Übereinstimmung mit sich selbst zu
kommen, Arbeit und Muße, ernster Lebenszweck und
froher Lebensgenuß, das alles soll sich wieder mehr
zu einem Ganzen einen, es soll übereinstimmen, kurzum
das Leben soll wirklich und wahrhaftig gelebt und er-

lebt werden. Und ein solches Leben in dieser neuen
Lebensauffassung scheint mir größer und edler und
innerlicher und wahrhaftiger und freier und lebendiger
und also lebenswerter zu werden und trotzdem oder
gerade deshalb in seinem äußeren Erscheinungsformen
einfacher. Es ist bemerkenswert, wie das einfach
Bescheidene, schlicht Gediegene langsam, aber anschei-
nend sicher im heutigen Leben an Wert gewinnt
gegenüber dem kompliziert Aufdringlichen. Man be-
merkt diese Erscheinung mit Freuden überall und wie
im Leben, so auch in der Kunst.
Im Grunde genommen mag es so auch natür-
lich sein, denn Einfachheit, schlichte edle Einfachheit
scheint mir eine Charaktereigenschaft des
Germanen zu sein. Wenn wir nun aber im Leben
und in der Kunst in den letzten Jahrzehnten diese
Eigenschaft verloren hatten oder richtiger gesagt, wenn
sie überwuchert wurde durch ein wüstes kompliziertes
Durcheinander und Vielerlei, so sollten wir nach solcher
Erkenntnis uns zu dieser Einfachheit zurück zu finden
suchen. Wir kamen vom Leben, vom Begriff Welt-
anschauung zur Kunst, und so müssen wir auch
 
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