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Die Gartenkunst — 10.1908

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Heicke: Naturalismus oder Kunst?
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https://doi.org/10.11588/diglit.49258#0189

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X, 10

DIE GARTENKUNST.

179

Naturalismus oder Kunst?
Von Heicke, Frankfurt a. M.
Wenn man die Meinungsverschiedenheiten hört,
die in den letzten Jahren über den Garten und seine
Kunst zwischen den Vertretern der modernen Rich-
tung und der gärtnerischen Fachwelt zum Ausdruck
gekommen sind, dann sollte man fast meinen, eine
unüberbrückbare Kluft trenne beide.
Mir scheint, daß bei
diesen Erörterungen viel
unnötiger Eifer insbe-
sondere von den Ex-
tremen beider Rich-
tungen entwickelt wird.
Wenn dieser Eifer, an-
statt geschäftig das
Trennende hervorzuhe-
ben, sich angelegen sein
lassen möchte, die ge-
meinsamen Berührungs-
punkte zu betonen, dann
würde man auf dem so
friedlichen Gebiet des
Gartens recht leicht
zu einem beiderseitigen
Sich verstehen gelangen.
Wie liegt denn die
Sache? Die moderne
Kunstrichtung erblickt
in dem zur Schablone
gewordenen landschaft-
lichen Gartenstil den
Kern des Übels und
verwirft ihn als un-
künstlerische Naturnach-
ahmung. Sie schreitet
bei der von ihr ange-
strebten Reform des Gar-
tens vom Innern aus
dem Hause kommend
nach außen und möchte
in Anlehnung an die ihr
vom Hausbau her ge-
wohnten Formen den
Garten ausschließlich in
strenger Anordnung gehalten wissen und dabei, dem
allgemeinen Zuge folgend, auf möglichst primitive
Grundformen (das Rechteck) zurückgehen.
Der gärtnerische Fachvertreter kommt, von außen
nach innen schreitend, aus dem Freien und bringt
eine weniger strenge Auffassung mit. Soweit es sich
um die engere Umgebung des Hauses und die Besei-
tigung von Teppichbeeten und ähnlichem Krimskram
handelt, verhält er sich im allgemeinen, den Forde-
rungen der modernen Kunst gegenüber, zustimmend.
Er erkennt auch eine ziemlich weitgehende . Reform-
bedürftigkeit der sogenannten Landschaftsgärtnerei an;

dagegen verwahrt er sich entschieden gegen ihre radi-
kale Verwerfung als einen unkünstlerischen Natura-
lismus.
Über diese Frage muß Klarheit geschaffen werden,
denn sie bildet den springenden Punkt. Ich sagte
absichtlich „sogenannte“ Landschaftsgärtnerei. Dieser
Ausdruck ist ein sehr unglücklicher und gibt zu miß-
verständlicher Auffassung Veranlassung. Prüfen wir
deshalb die Sache, um festzustellen, um was es sich
dabei handelt, einmal
eingehend an einigen
Beispielen.
Vorausschicken muß
ich einige allgemeine
Betrachtungen.
Die Anlage des Gar-
tens ist eine architek-
tonische Aufgabe, sagte
Schultze-Naumburg. Wir
wollen nicht um Worte
streiten, sondern uns
diese Auffassung zu eigen
machen. Was folgt dar-
aus ? Muß deshalb un-
ter allen Umständen in
Grundriß und Aufbau
des Gartens strengste
Symmetrie und Regel-
mäßigkeit herrschen?
Müssen deshalb auf die
k ü n s t e r i s c h e Gestal-
tung des Gartens Grund-
sätze übertragen werden,
ohne die der Bau eines
Hauses technisch un-
denkbar ist ? Deckt sich
„architektonisch“ über-
haupt mit „baulich“?
Oder ist es gleichbe-
deutend mit „regelmä-
ßig“? Gibt es in der
Architektur nicht auch
malerische Lösungen?
Erst im vorigen Jahre
hörten wir den Vor-
trag des Landesbaurats
Goecke, des Fierausgebers des „Städtebaues“, der
sagte: „Die Architektur kann eine strenger gegliederte
und eine freier gruppierte sein. Allerdings geht sie
von geometrischen Grundformen aus, verwendet diese
jedoch mehr oder weniger frei bis zur völlig unregel-
mäßigen Verteilung der Massen, im Aufbau und in
der Umrißlinie sich dem Erdboden anschmiegend, sich
der Umgebung einfügend.“
Wer das Wort „architektonisch“ in diesem Sinne
auffaßt und bei seiner Anwendung auf die Gestaltung
des Gartens beachtet, daß die wesentlichsten Elemente
für seinen Aufbau nicht geometrische Grundformen,

Motiv aus den Frankfurter Promenaden. L"
 
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