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Die Gartenkunst — 10.1908

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Pietzner, Hans: Über Wettbewerbe
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Verschiedene Mitteilungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.49258#0218

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208

DIE GARTENKUNST.

X, 11

allgemeinen. Eine Behörde oder irgend eine Körperschaft von
Laien auf diesem Gebiet, von Nichtsachverständigen, beschließt
die Veranstaltung eines Wettbewerbes und sendet Unterlagen
aus, Unterlagen, die an sich auch vielleicht unvollkommen
sind, in der Regel aber ganz allgemein ein zutreffendes Bild
von dem in Frage kommenden Gelände und seiner Umgebung
nicht vermitteln. Das kümmert auch die sich Beteiligenden
wenig, ist man's doch beinahe so gewohnt. Nur die wenigsten
wohl der konkurrierenden Künstler sind so altmodisch pedan-
tisch, daß sie sich sagen: ohne das Gelände gesehen zu haben
mit seinen Eigenheiten und seiner Umwelt, kann ich mich
absolut nicht beteiligen. - Es kommen also Entwürfe zustande,
die sich kühn über gegebene Bedingungen oder über lokale
Verhältnisse hinwegsetzen. Man weiß: man darf sich’s heraus-
nehmen ; man gibt sich den Anschein besonderer Genialität,
indem man sich über die Beschränkungen, die doch das Pro-
gramm jedem ohne Unterschied auferlegen will, hinwegsetzt.
Nun kommt die Beurteilung. Kaum daß man danach fragt,
ob die Beurteiler das Gelände gründlich kennen, eben so wenig
wie man bei Stellung der Aufgabe danach gefragt hat, ob
diese überhaupt künstlerisch möglich und richtig gestellt war.
Was ist das notwendige Resultat? Eine Lösung erhält den
Preis, die nachher sich als schlechterdings in der vorliegenden
Form nicht ausführbar erweist. Der Schaden ist meines Er-
achtens ein ungeheurer. Nicht nur, daß für die spezifische
Lösung der gestellten Aufgabe der Weg nicht gefunden wurde,
auch die erzieherische Wirkung des Wettbewerbes muß aus-
bleiben und die Unsumme der geleisteten Arbeit ist schmäh-
lich und umsonst vertan. Die Konkurrenz verliert so ihren
Hauptwert, den ich darin sehe, daß sie erziehend wirken soll,
daß sie dem künstlerischen Nachwuchs Gelegenheit gibt, an
dem Errungenen sich weiter fortzubilden und die Wege, die
ihm da von den Besten gezeigt werden, weiter zu verfolgen
hinauf zur Höhe wahrer Kunst.
.Was ist nun der Effekt? Die Konkurrenz selbst wird
zur Hauptsache, die allein interessiert, zum Selbstzweck. Die
Ausführung, die doch eigentliche schöpferische
Tätigkeit aber tritt zurück. Man muß das unterstreichen,
denn die Tätigkeit am Reißbrett ist die eigentlich künstlerische
doch nicht, sondern diese allein ist das Wirken im Werke
selbst mit dem Material des Grund und Bodens, des Wassers,
der Pflanzung usw. Ist aber nun diese schiefe Auffassung
einmal durchgedrungen, so muß der Schaden unberechenbar
sein. Es handelt sich dann künftig nicht mehr darum, für
eine bestimmte, charakteristische Situation etwas Gutes, etwas
Angemessenes zu schaffen, das mit der Umgebung innig zu-
sammenhängt und zu künstlerischer Einheit verschmilzt,
sondern es heißt vor allem den Preis zu erjagen. Das aber
ist schlechthin nicht der Zweck eines Wettbewerbes. Heute
scheint’s beinahe so, daß die effektvollsten Pläne, die deko-
rativ wirksamsten Bilder den Ausschlag geben. Jeder
Trick, jeder billige Effekt ist recht, wenn er nur die Ar-
beit möglichst interessant und genial erscheinen läßt, wenn
auch sonst blutwenig dahintersteckt. Wer fragt heute noch
nach der Ausführung, ja ich möchte einmal die Frage auf-
werfen: wie viele Kostenberechnungen höchstprämiierter Ent-
würfe mögen der Wirklichkeit standhalten? Wir stehen also
vor einer am Reißbrett großgewordenen Scheinkunst, deren
Zweck nur der ist, beim Wettbewerb den Vogel abzuschießen,
aber nicht der, eine der Wirklichkeit gerecht werdende gute
Arbeit zu liefern. Die wenigst beneidenswerte Rolle aber bei
alledem spielt der Preisrichter, der über dem Drum und Dran
das eigentliche künstlerische Problem aus den Augen ver-
liert — —.
Was folgt daraus? Wettbewerbe sind nie und unter
keinen Umständen Selbstzweck. Vielmehr gilt es, Entwürfe
zu erlangen, die in die Wirklichkeit sich restlos übertragen
lassen und die mit ihrer Umgebung in künstlerischer Einheit
Zusammengehen oder wenigstens in richtigem Verhältnis dazu
stehen. Der Plan, der für die Wirklichkeit gedacht ist, sieht
in der Regel höchst unscheinbar aus. Darum wird auch die

Beurteilung des Entwurfs ungleich schwerer. Vom Preis-
richter wird ein ganz bedeutendes Vorstellungsvermögen ver-
langt, denn alle Einzelheiten des Entwurfs muß er sich im
Geiste im Maßstabe der Wirklichkeit vorzustellen vermögen
und es ist eine Binsenweisheit, daß vielerlei, was im Plan sehr
nett und gefällig aussieht, ja vielleicht angemessen erscheint,
in Wirklichkeit total verliert und höchst nüchtern und lang-
weilig ist und umgekehrt, daß manches, was im Plane lächer-
lich einfach und beinah’ dürftig erscheint, in Wirklichkeit seinen
Zweck voll erfüllt und sich als künstlerisch wirksam erweist.
Das ganz Gleiche gilt von den Perspektiven und den Skizzen
im kleinen Maßstab! — Man kann sich über den künstlerisch
so naiven Standpunkt der Laien in den Preisrichterkollegien
nur wundern, die gerade bei Entwürfen sich berufen fühlen
mitzuurteilen. Es ist für einen Nichtfachmann sehr oft und
eigentlich fast stets eine Unmöglichkeit, einen Entwurf, der
doch im Grunde genommen nur eine Vorarbeit, ein Programm
ist, richtig zu beurteilen. Vor dem fertigen Werk urteile jeder,
denn da steht das Gewollte, die Wirklichkeit klar vor Augen.
Deswegen aber gilt es auch auf die Vorbereitungen eines
Wettbewerbes noch ein verschärftes Augenmerk zu haben.
Die künstlerische Aufgabe stelle der Fachmann, der Künstler,
nicht der Laie, er gestalte auch die Unterlagen und die
Ausschreibung so, daß ein gutes Resultat von vornherein er-
wartet werden kann und sichergestellt scheint. Die große
Gefahr bei den Wettbewerben liegt, wir kommen bei der
heutigen Zusammensetzung der Preisrichterkollegien nicht
darum herum, in den Blendern, in den mit allem technischen
Raffinement hergestellten bestechenden Entwürfen, deren
Zweck es lediglich ist, im Wettbewerb die Palme zu er-
ringen, aber nicht der eine der Wirklichkeit angemessene und
restlos gerecht werdende Lösung zu bringen oder gar die
Ausführung zu erlangen. Und gerade auf dem Letzteren sollte
der allergrößte Nachdruck liegen. Wir müssen mit allen
Mitteln anstreben, daß dem Sieger im vernünftigen Wett-
bewerb die Ausführung oder mindestens die Oberleitung stets
gesichert ist.
Wir müssen darum eine Reform der Wettbewerbe in
die Wege leiten; sie müssen Konkurrenzen werden, bei denen
die Anforderungen an die sich Beteiligenden ernstere sind
und bei denen eine weniger beachtete Seite künstlerischer
Tätigkeit mehr in den Vordergrund tritt, denn abseits von
allem, was uns die Schule lehrt und fern von allen Zeit- und
Streit- und Stilfragen steht die große Aufgabe, das zu schaffen,
was aus dem Zusammenhänge entspringt und was der um-
gebenden und bedingenden Wirklichkeit in vollkommener
Weise entspricht. Es kann uns dabei ganz gleichgültig sein,
ob etwas, was wir anwenden, schon da war oder nicht,
handelt es sich doch darum, nur das anzuwenden, was
einen neuen natürlichen Entstehungsgrund hat,
das wird dann auch immer zweckvoll sein und wir wissen:
restlos dem Zwecke entsprechend, zweckvoll im besten Sinne,
ist künstlerisch schlechthin. Es klingt gut; für eine bestimmte
Aufgabe oder einen bestimmten Zweck den rechten Ausdruck
finden, kann aber doch ablenken und leicht zu gesuchten, ge-
künstelten Lösungen führen. Darum vermeide ich mit allem
Vorbedacht das Schlagwort: Ausdruckskunst. —
Unser Ziel liegt im klaren, praktischen und möglichst
restlosen Genügen der Anforderungen, die der Zweck der
Schöpfung, der Sache bedingt. Nur dieser Weg kann auf-
wärts führen. Das ist meine Überzeugung.
Hans Pietzner.
Verschiedene Mitteilungen.
Axel-Fintelmann-Denkmal. Am 27. Sept. ds. Js. wurde
auf dem Berliner Zentralfriedhof in Friedrichsfelde die Ent-
hüllung des Axel Fintelmann-Denkmals unter zahlreicher Be-
teiligung von Verehrern und Freunden des Verstorbenen mit
einer würdigen aber schlichten Feierlichkeit vorgenommen.
 
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