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Die Gartenkunst — 10.1908

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Mayr, Heinrich: Über die Herbstfärbung der Laubbäume
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https://doi.org/10.11588/diglit.49258#0069

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DIE GARTENKUNST.

59

Über die Herbstfärbung der Laubbäume.
Von
Univ.-Prof. Dr. Heinrich Mayr zu München.
Wer anfangs Oktober den amerikanischen Kon-
tinent betritt, wird gefesselt von der eigenartigen Er-
scheinung, daß die ganze Landschaft in herrlichstem
Rot erglüht. Man wird erinnert an jene Hypothese,
daß der Planet Mars eine rote Vegetation trage; wer
zum erstenmal den japanischen Wald in seinem Herbste
sieht, mit seinen hell-
gelben bis sattpurpurnen
Tönen, dazu braun und
grün, der trägt keinen
Augenblick Bedenken,
den japanischen Wald als
das schönste pflanzliche
Gebilde der Schöpfung
zu erklären. Der euro-
päische Wald mit seinen
wenigen Holzarten ist frei-
lich damit kaum ver-
gleichbar, aber dennoch
auch schön, zumal durch
die Kontraste von dun-
kelgrünen Nadelbäumen
und gelben und rotbraunen
Laubbäumen. Frägt man
in Amerika, woher die
prächtige rote Färbung,
so hört man allgemein
als Ursache den Frost.
Auch bei uns ist, unter
den Laien wenigstens,
allgemein diese Anschau-
ung verbreitet und den-
noch ist sie irrig. Selten
wohl schmückte sich der
europäische Wald mit
satteren und leuchten-
deren Farben als dies im
Herbst 1907 der Fall war,
und die ganze Farben-
pracht in ihrem Wechsel
bis zum Abfall des bunten
Kleides der Bäume spielte sich ab, ohne daß die Tempe-
ratur unter Null Grad herabgegangen wäre! Dieses Bei-
spiel allein würde genügen, die Irrigkeit zu beweisen, daß
Frost an der Schönheit des Herbstes schuld sei. Ja es gibt
kein Naturereignis, das die Herbstfärbung so stört und
die braune Färbung und den Blätterabfall so beschleunigt
als gerade den Frost. Die Herbstfärbung wird einge-
leitet durch die Auswanderung der Nährstoffe aus dem
Blatt, jener wertvollsten Salze, welche durch ihre Rück-
wanderung in Knospe und Trieb der Pflanze erhalten
werden sollen. Erkrankt während des Sommers ein
Zweig, so wandern die Stoffe aus und mitten im
Sommer erscheint eine Herbstfärbung; ja das früh-

zeitige Auftreten der Herbstfärbung an einem Aste des
Baumes ist ein sicherer Beweis dafür, daß der Ast er-
krankt ist. Je rascher die Auswanderung vor sich
geht — sie wird durch trockene Witterung beschleunigt
— um so farbenreicher der Herbst, aber auch um so
kürzer seine Dauer. Nasser Herbst verlängert die
Pracht, aber mindert sie. Frost unterbricht die Fär-
bung, erzeugt Flecken und zwingt das Blatt zum Ab-
fall ; Wind reißt die in ihrem Gelenke bereits ge-
lockerten Blätter ab, zerstört somit die Schönheit des
Herbstes. Schlecht ge-
nährte Bäumchen zeigen
die prächtigste Färbung,
Bäumchen im Verpflanz-
jahre, trotz aller Vorsicht
durch Wurzelbeschädi-
gung leidend, zeigen im
ersten Herbst die inten-
sivste Färbung, mit der
allmählich sich einstellen-
den, besseren Ernährung
und Gesundung blaßt die
Farbe des Herbstes wie-
der ab. Die Herbstfär-
bung ist auch individuell;
denn manche Pflanzen
derselben Art, zum Bei-
spiel der Roteichen, wei-
sen ihr ganzes Leben
hindurch eine unschein-
bare, häßliche, fahlbraune
Farbe auf, manche tragen
ihr scharlachrotes Kleid
alle Jahre. Schon im
Saatbeet bieten die Rot-
eichen dem Beschauer
eine ganze Farbenmosaik
von grünen bis dunkel-
und grellroten und brau-
nen Blättern dar; jedes
Individuum, ja jeder Zweig
trägt eine andere Farbe,
die schon nach wenigen
Tagen wiederum wechselt,
denn das grüne Blatt wird
grünrot, dann rot, dann braun und fällt dann zur Erde.
Ja, den geborenen Gärtnern und Gartenkünstlern, den
Japanern, ist es geglückt, einen Ahorn zu züchten, den
Osakatsudschi, der im Frühjahr nicht ergrünt, sondern
errötet, im Sommer ergrünt und im Herbst wiederum
in das herrliche Rot des Frühjahrs zurückkehrt, worauf
das Blatt abfällt. Es ist noch nicht nachgewiesen,
aber doch wahrscheinlich, daß das Erröten im Früh-
jahr durch Mangel an Nährsalzen, das Ergrünen durch
den Zufluß und die Errötung im Herbst wiederum
durch Auswandern der Nährsalze herbeigeführt wird.
Die zahlreichen, ausländischen Bäume mit bunter
Herbstfärbung, wie die amerikanischen Eichen, Ahorne,

Rhododendron im Waldpark.
(Aus der Besitzung der Frau M. Seidel, Dresden.)
 
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