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Die Gartenkunst — 10.1908

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Geßner, Albert: Wechselwirkung der Bau- und Gartenkunst beim Miethause, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.49258#0050

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DIE GARTEN-KUNST.


Harry Maaß, Stuttgart: Studie zu”einem Gartenstadtplatz. Blick D.

Beschränkung der. Meister zeigt. — Über die zweite
Art des „idealen“ Vorgartens bedarf es wohl keines
besonderen Hinweises, daß hier ein einfacher, platter
Rasenstreifen das Selbstverständliche wäre. — Da wir
aber in der Wirklichkeit leben, so müssen wir uns mit
dem Gegebenen abfinden und das Unding von Vor-
garten so gut oder schlecht ausbilden, als wir können,
d. h. wir müßten ihn in der Hauptsache betrachten
als Nährboden für ein Anbauen von Rankpflanzen und
ihn im übrigen so schlicht wie möglich halten. — Weit
wichtiger für das Aussehen unserer Straßen halte ich
die reichlichere Verwendung der Rankpflanzen und hier
ist besonders das Hand in Hand-Arbeiten des Gärtners
mit dem Architekten von Wichtigkeit. Die Pflanze
ist gewiß geeignet auch da, wo für sie in der Archi-
tektur kein Platz vorgesehen war, das Haus immer zu
verschönern — und ich könnte aus Berlin manche
Beispiele hierfür anführen — aber es leuchtet ein, daß
eine von vornherein beabsichtigte Verwendung das
Bild ungleich harmonischer gestalten kann. Warum
sollten wir — auch an der Straße — nicht Spalier
verwenden können anstatt Gipsornamente, warum sollten
wir nicht hochkletternde Glycinen anstatt Lisenen und
Pilasterarchitektur vorsehen? — Welch herrliche Ge-
staltungsmöglichkeiten sind uns da gegeben und ich
überlasse es Ihrer Phantasie, diese Möglichkeiten weiter
auszudenken. Wenn dann im rhythmischen Wechsel
die Häuser in reiner schlichter Architektur und in
solcher mit Verwendung der Pflanze auftreten, welch
herrliches Straßenbild würde daraus entstehen können!

— Meine Herren! Dies können wir schaffen im ge-
gebenen Bebauungsplan, in der Gegenwart, in der uns
doch mindestens ein Kompromiß so überaus nottut! —
Bei dem dritten Mittel die Pflanze am Hause zu ver-
wenden , sind wir leider ganz auf das Interesse des
breiten Publikums angewiesen. Während bei Vorgarten
und Berankung Gärtner und Architekt auf den Haus-
besitzer direkt einwirken können, haben wir für den
Schmuck am Fenster und Balkon nur indirekten Ein-
fluß. Dem Architekt ist es zwar möglich, sinngemäß
für die Wohnungen die Bedingungen für den Schmuck
zu schaffen und auf diese Weise zur Benutzung anzu-
regen, indessen bleibt es der Blumenliebe des Mieters
überlassen, unsere gemeinsamen Wünsche zu erfüllen.
Eine ausgedehnte Propaganda in Vereinen und Presse
müßte hier das ersetzen, was an direktem Einfluß
fehlt; und ich glaube, daß die Sehnsucht nach dieser
Schönheit beim modernen Stadtmenschen doch so stark
ist, daß eine geschickt geleitete Propaganda auf frucht-
baren Boden fällt! Jedenfalls wäre es zu wünschen,
daß sich hier der Einzelne betätigte — sowohl für ihn,
als auch für die Gesamtheit — obgleich es auch in
unserer merkwürdigen Zeit möglich wäre, daß ein fin-
diger Kopf als Hausbesitzer dem Mieter die Blumen
und ihre Unterhaltung lieferte, wie er ihm Heizung,
Wasser, Kühlung, Reinigung und was sonst noch alles
gegen entsprechend höhere Mietsentschädigung gibt.
— Wenn man über eine solche, vielleicht etwas ab-
surde Idee überhaupt debattieren kann, so könnte sie
dekorativen Wert haben und zwar insofern, als der
 
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