X, G
DIE GARTENKUNST.
89
Strafienbild aus Bournville bei Birmingham.
Die Gartenkunst im Städtebau.
Vortrag, gehalten in der Hauptversammlung des Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst in Mannheim 1907.
Von Kgl. Landesbaurat Prof. Th. Qoecke, Berlin.
Vor noch nicht einem Jahre hat in Mannheim der
Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine
über „Grundsätze des Städtebaus“ verhandelt — welche
Ironie des Schicksals! — in Mannheim, dem man
den Spitznamen der Quadratstadt angehängt hat, wie
mich deucht mit Unrecht, da gerade diese Stadt —
ganz im Gegensätze zu mancher neueren, aus Stein-
haufen roh zusammengewürfelten beweist, wie auch
auf Grund eines Schachbrettplanes wirkungsvolle Raum-
gebilde entstehen können, wenn sie nur einem ein-
heitlichen Gedanken, einem künstlerischen Geiste ent-
springen — — und doch, meine Herren, mit einem
Schein des Rechtes als Ausdruck dessen, was wir
heute im Städtebau kaum noch wollen können, weil
an die Stelle eines selbstherrlichen Fürstenwillens das
Sichvergleichenmüssen einer vielgliedrigen Selbstver-
waltung, an die Stelle eines schlichtbürgerlichen Bau-
bedürfnisses das Einanderüberbieten einer baugeschäft-
lichen Wohnungsherstellung getreten ist. Baugesetze er-
weisen sich deshalb als notwendig zu Nutz und Frommen
der Gesamtheit. Damit aber die Städtebaukunst bei
der Gesetzgebung nicht zu kurz komme, ist es zu
begrüßen, wenn sich die Fachleute zu gemeinsamen
Beratungen zusammenschliessen; so haben Sie auf die
Tagesordnung Ihrer Hauptversammlung heute die Be-
sprechung eines in der modernen Stadt so breiten
Raum einnehmenden Gliedes der Städtebaukunst, der
Gartenkunst im Städtebau, gesetzt, — mit Recht auch
angesichts Mannheims, dessen Friedrichplatz, ein monu-
mentaler Gartenplatz seltener Art, nicht nur durch
seine Lage, sondern auch durch seine Wiederaufnahme
des. in der Altstadt so glänzend vertretenen Lauben-
motivs zum Bindeglied zwischen jener und der neuzeit-
lichen Stadterweiterung geworden ist und gegenwärtig,
von einem hoffentlich als dauernden Platzabschluß ge-
planten Torbau gegen die Augustaanlage geöffnet, den
Ausgangspunkt zu einer der Gartenkunst im Sinne
modernen Städtebaus dienenden Ausstellung bildet.
Denn die Stadt der Gegenwart unterscheidet sich
wesentlich von älteren Städten durch die Unterbrechung’
der Häusermassen durch Grünanlagen mancherlei Art.
C. Sitte forderte diese Unterbrechung „durch weit-
läufige freie Lufträume, zunächst aus Gesundheits-
rücksichten, aber auch nicht minder zur phantastischen
Erhebung des Gemüts durch die Erquickung an ein-
gestreuten Naturbildern. Ohne diese Anlehnung an die
freie Natur wäre die Stadt ein unerträglicher Kerker
((
In den vorhin erwähnten „Grundsätzen des Städte-
baus“ sagte der Berichterstatter Oberbaurat Professor
Dr. Baumeister-Karlsruhe in dem Abschnitt „Plätze“ :
„Pflanzungen, von einer bedeutenden Architektur
beherrscht sollten gewöhnlich geometrisch regelmässig
angeordnet werden; besitzen sie aber großen Umfang
oder Selbstzweck innerhalb einer baulich einfachen Um-
gebung, so ist freie malerische Anlage vorzuziehen.
Manchmal eignet sich ein Übergang oder eine Vermitt-
lung zwischen beiden Arten des Gartenstils“ und in
dem Abschnitt „Formen der Bebauung“ :
„Statt der offenen Bauweise dient bei ringsum be-
bauten Blöcken die Offenhaltung eines reichlichen Luft-
raumes im Inneren. Dieselbe Maßregel empfiehlt sich
zwecks Herstellung eines öffentlichen Parks (oder Ge-
bäudes) im Innern eines großen Blocks“. Rechnen Sie
dazu, daß im Abschnitt „Straßen“ Vorgärten und Baum-
reihen nur so nebenher Erwähnung gefunden haben,
DIE GARTENKUNST.
89
Strafienbild aus Bournville bei Birmingham.
Die Gartenkunst im Städtebau.
Vortrag, gehalten in der Hauptversammlung des Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst in Mannheim 1907.
Von Kgl. Landesbaurat Prof. Th. Qoecke, Berlin.
Vor noch nicht einem Jahre hat in Mannheim der
Verband Deutscher Architekten- und Ingenieurvereine
über „Grundsätze des Städtebaus“ verhandelt — welche
Ironie des Schicksals! — in Mannheim, dem man
den Spitznamen der Quadratstadt angehängt hat, wie
mich deucht mit Unrecht, da gerade diese Stadt —
ganz im Gegensätze zu mancher neueren, aus Stein-
haufen roh zusammengewürfelten beweist, wie auch
auf Grund eines Schachbrettplanes wirkungsvolle Raum-
gebilde entstehen können, wenn sie nur einem ein-
heitlichen Gedanken, einem künstlerischen Geiste ent-
springen — — und doch, meine Herren, mit einem
Schein des Rechtes als Ausdruck dessen, was wir
heute im Städtebau kaum noch wollen können, weil
an die Stelle eines selbstherrlichen Fürstenwillens das
Sichvergleichenmüssen einer vielgliedrigen Selbstver-
waltung, an die Stelle eines schlichtbürgerlichen Bau-
bedürfnisses das Einanderüberbieten einer baugeschäft-
lichen Wohnungsherstellung getreten ist. Baugesetze er-
weisen sich deshalb als notwendig zu Nutz und Frommen
der Gesamtheit. Damit aber die Städtebaukunst bei
der Gesetzgebung nicht zu kurz komme, ist es zu
begrüßen, wenn sich die Fachleute zu gemeinsamen
Beratungen zusammenschliessen; so haben Sie auf die
Tagesordnung Ihrer Hauptversammlung heute die Be-
sprechung eines in der modernen Stadt so breiten
Raum einnehmenden Gliedes der Städtebaukunst, der
Gartenkunst im Städtebau, gesetzt, — mit Recht auch
angesichts Mannheims, dessen Friedrichplatz, ein monu-
mentaler Gartenplatz seltener Art, nicht nur durch
seine Lage, sondern auch durch seine Wiederaufnahme
des. in der Altstadt so glänzend vertretenen Lauben-
motivs zum Bindeglied zwischen jener und der neuzeit-
lichen Stadterweiterung geworden ist und gegenwärtig,
von einem hoffentlich als dauernden Platzabschluß ge-
planten Torbau gegen die Augustaanlage geöffnet, den
Ausgangspunkt zu einer der Gartenkunst im Sinne
modernen Städtebaus dienenden Ausstellung bildet.
Denn die Stadt der Gegenwart unterscheidet sich
wesentlich von älteren Städten durch die Unterbrechung’
der Häusermassen durch Grünanlagen mancherlei Art.
C. Sitte forderte diese Unterbrechung „durch weit-
läufige freie Lufträume, zunächst aus Gesundheits-
rücksichten, aber auch nicht minder zur phantastischen
Erhebung des Gemüts durch die Erquickung an ein-
gestreuten Naturbildern. Ohne diese Anlehnung an die
freie Natur wäre die Stadt ein unerträglicher Kerker
((
In den vorhin erwähnten „Grundsätzen des Städte-
baus“ sagte der Berichterstatter Oberbaurat Professor
Dr. Baumeister-Karlsruhe in dem Abschnitt „Plätze“ :
„Pflanzungen, von einer bedeutenden Architektur
beherrscht sollten gewöhnlich geometrisch regelmässig
angeordnet werden; besitzen sie aber großen Umfang
oder Selbstzweck innerhalb einer baulich einfachen Um-
gebung, so ist freie malerische Anlage vorzuziehen.
Manchmal eignet sich ein Übergang oder eine Vermitt-
lung zwischen beiden Arten des Gartenstils“ und in
dem Abschnitt „Formen der Bebauung“ :
„Statt der offenen Bauweise dient bei ringsum be-
bauten Blöcken die Offenhaltung eines reichlichen Luft-
raumes im Inneren. Dieselbe Maßregel empfiehlt sich
zwecks Herstellung eines öffentlichen Parks (oder Ge-
bäudes) im Innern eines großen Blocks“. Rechnen Sie
dazu, daß im Abschnitt „Straßen“ Vorgärten und Baum-
reihen nur so nebenher Erwähnung gefunden haben,