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DIE GARTENKUNST.
X, 11
Gesamtansicht der Hessischen Landesausstellung 1908 in Darmstadt. Rückseite.
hinein oder man hatte einen Ausblick in die reizvolle
nähere Umgegend Darmstadts, so daß nirgends ein
störender Mangel zutage trat. Das Bild auf dieser Seite,
welches die Ausstellung von der Rückseite zeigt, läßt
dies deutlich erkennen: Im Vordergründe hat man die
Kleinwohnungskolonie, darüber ragen rechts die Dach-
aufbauten des Gebäudes für angewandte Kunst, mehr
nach links die des Hauptgebäudes mit dem Hochzeits-
turme hervor. Die Kuppeln der russischen Kapelle sind
links nicht mehr sichtbar. Dieses Bild ist sehr geschickt
aufgenommen, denn an keiner anderen Stelle hat man
einen solch malerisch befriedigenden Gesamteindruck.
Wenn man nach dem ersten orientierenden Rund-
blick sich nach Einzelheiten näher umschaute, so nahm
man eine ganze Reihe von Gärten wahr, die um die
einzelnen Bauten angelegt waren; alle die Häuser der
Kleinwohnungskolonie und der Villenstraße hatten
ihre Gärten; hinter dem Gebäude für angewandte
Kunst lag der architektonische Garten von Professor
A. Müller. Die Hauptgebäude umschlossen mehrere
Gartenhöfe, unter denen der sogenannte „Keramische
Hof“ im Gebäude für angewandte Kunst bemerkens-
wert war; einen „Berggarten“ ohne Beziehung zu
einem eigenen Bauwerk hatte Lud. Fuchs-Darmstadt
angelegt; die Rasenböschungen des Wasserleitungs-
hochbehälters waren durch Aufgänge, Wege, Per-
golen usw. gegliedert und mit Pflanzungen ausgestattet
— kurzum es war reichlich Gelegenheit zu garten-
künstlerischen und gartentechnischen Leistungen ge-
boten.
Ich muß nun mit einigem Bedauern feststellen,
daß vor allen Dingen das gartentechnis ehe Niveau
der Ausstellung im Vergleich zu dem, was man sonst
auf den Ausstellungen der letzten Jahre zu sehen ge-
wohnt war, ein äußerst
unbefriedigendes war.
Ich habe die Ausstel-
lung wiederholt be-
sucht, bald nach der
Eröffnung sowohl wie
im Hochsommer und
im Herbst. Ich mußte
immer wieder die un-
erfreuliche Wahrneh-
mung machen, daß die
Ausstattung der Gärten
und ihre Pflanzungen
in der Flauptsache
kaum über Andeu-
tungen hinauskamen.
Selbst an den bevor-
zugtesten Stellen —
von wenigen Ausnah-
men abgesehen —,
eine solche bildete z. B.
die Ausstattung des
Gartensaales im Ge-
bäude für angewandte
Kunst, die von Henckel-Darmstadt in seiner bekannten
reizvollen Manier durchgeführt worden war — ließen die
Gärten in ihrer Ausstattung und Pflege alles zu
wünschen übrig! Warum war das so? Ich meine,
eine solche räumlich nicht sehr ausgedehnte Aus-
stellung, die in eine ganze Reihe einzelner vollstän-
dig unabhängig voneinander zu behandelnder Teile
und Einzelheiten zerfiel, hätte wie ein Schmuckkäst-
chen ausgestattet sein müssen! Ich meine, die kleinen
Gärtchen an den Arbeiterhäusern — nicht minder die
an den drei größeren Villen usw. — hätten mit der
gleichen Liebe und eingehenden Sorgfalt behandelt
und durchgebildet sein müssen, wie deren Innenräume.
Gewiß, es war nicht eine Gartenbauausstellung ge-
plant. Die Ausstellung nannte sich „Hessische Landes-
ausstellung für freie und angewandte Kunst“. Sie
sollte zeigen „ein Bild von dem Werdegang deutscher
Kultur in den letzten sieben Jahren“. Die Leitung
der Einzelabteilungen lag in den Händen namhafter
Architekten, von denen nicht wenige durch Schrift
und Wort in dem Streit der Meinungen über Garten-
kunstfragen in den letzten Jahren Stellung genommen
haben. Man hätte erwarten dürfen, daß sie dem so
oft im Munde geführten Interesse für die „rückständige“
Gartenkunst bei dieser Gelegenheit gerne werktätigen
Ausdruck verliehen und, als zur Vollständigkeit des
Bildes von dem Werdegang deutscher Kultur in den
letzten sieben Jahren gehörig, auch dem gärtnerischen
Rahmen ihre Werke etwas mehr Liebe gewidmet und
geeignete Mitarbeiter heranzuziehen gewußt hätten,
die fähig und geneigt gewesen wären, sie fachmännisch
mit Rat und Tat zu unterstützen. Was hätten sich
da um die verschiedenen Arbeiterhäuser z. B. für reiz-
volle Gärtchen schaffen lassen. Ich wiederhole, die
DIE GARTENKUNST.
X, 11
Gesamtansicht der Hessischen Landesausstellung 1908 in Darmstadt. Rückseite.
hinein oder man hatte einen Ausblick in die reizvolle
nähere Umgegend Darmstadts, so daß nirgends ein
störender Mangel zutage trat. Das Bild auf dieser Seite,
welches die Ausstellung von der Rückseite zeigt, läßt
dies deutlich erkennen: Im Vordergründe hat man die
Kleinwohnungskolonie, darüber ragen rechts die Dach-
aufbauten des Gebäudes für angewandte Kunst, mehr
nach links die des Hauptgebäudes mit dem Hochzeits-
turme hervor. Die Kuppeln der russischen Kapelle sind
links nicht mehr sichtbar. Dieses Bild ist sehr geschickt
aufgenommen, denn an keiner anderen Stelle hat man
einen solch malerisch befriedigenden Gesamteindruck.
Wenn man nach dem ersten orientierenden Rund-
blick sich nach Einzelheiten näher umschaute, so nahm
man eine ganze Reihe von Gärten wahr, die um die
einzelnen Bauten angelegt waren; alle die Häuser der
Kleinwohnungskolonie und der Villenstraße hatten
ihre Gärten; hinter dem Gebäude für angewandte
Kunst lag der architektonische Garten von Professor
A. Müller. Die Hauptgebäude umschlossen mehrere
Gartenhöfe, unter denen der sogenannte „Keramische
Hof“ im Gebäude für angewandte Kunst bemerkens-
wert war; einen „Berggarten“ ohne Beziehung zu
einem eigenen Bauwerk hatte Lud. Fuchs-Darmstadt
angelegt; die Rasenböschungen des Wasserleitungs-
hochbehälters waren durch Aufgänge, Wege, Per-
golen usw. gegliedert und mit Pflanzungen ausgestattet
— kurzum es war reichlich Gelegenheit zu garten-
künstlerischen und gartentechnischen Leistungen ge-
boten.
Ich muß nun mit einigem Bedauern feststellen,
daß vor allen Dingen das gartentechnis ehe Niveau
der Ausstellung im Vergleich zu dem, was man sonst
auf den Ausstellungen der letzten Jahre zu sehen ge-
wohnt war, ein äußerst
unbefriedigendes war.
Ich habe die Ausstel-
lung wiederholt be-
sucht, bald nach der
Eröffnung sowohl wie
im Hochsommer und
im Herbst. Ich mußte
immer wieder die un-
erfreuliche Wahrneh-
mung machen, daß die
Ausstattung der Gärten
und ihre Pflanzungen
in der Flauptsache
kaum über Andeu-
tungen hinauskamen.
Selbst an den bevor-
zugtesten Stellen —
von wenigen Ausnah-
men abgesehen —,
eine solche bildete z. B.
die Ausstattung des
Gartensaales im Ge-
bäude für angewandte
Kunst, die von Henckel-Darmstadt in seiner bekannten
reizvollen Manier durchgeführt worden war — ließen die
Gärten in ihrer Ausstattung und Pflege alles zu
wünschen übrig! Warum war das so? Ich meine,
eine solche räumlich nicht sehr ausgedehnte Aus-
stellung, die in eine ganze Reihe einzelner vollstän-
dig unabhängig voneinander zu behandelnder Teile
und Einzelheiten zerfiel, hätte wie ein Schmuckkäst-
chen ausgestattet sein müssen! Ich meine, die kleinen
Gärtchen an den Arbeiterhäusern — nicht minder die
an den drei größeren Villen usw. — hätten mit der
gleichen Liebe und eingehenden Sorgfalt behandelt
und durchgebildet sein müssen, wie deren Innenräume.
Gewiß, es war nicht eine Gartenbauausstellung ge-
plant. Die Ausstellung nannte sich „Hessische Landes-
ausstellung für freie und angewandte Kunst“. Sie
sollte zeigen „ein Bild von dem Werdegang deutscher
Kultur in den letzten sieben Jahren“. Die Leitung
der Einzelabteilungen lag in den Händen namhafter
Architekten, von denen nicht wenige durch Schrift
und Wort in dem Streit der Meinungen über Garten-
kunstfragen in den letzten Jahren Stellung genommen
haben. Man hätte erwarten dürfen, daß sie dem so
oft im Munde geführten Interesse für die „rückständige“
Gartenkunst bei dieser Gelegenheit gerne werktätigen
Ausdruck verliehen und, als zur Vollständigkeit des
Bildes von dem Werdegang deutscher Kultur in den
letzten sieben Jahren gehörig, auch dem gärtnerischen
Rahmen ihre Werke etwas mehr Liebe gewidmet und
geeignete Mitarbeiter heranzuziehen gewußt hätten,
die fähig und geneigt gewesen wären, sie fachmännisch
mit Rat und Tat zu unterstützen. Was hätten sich
da um die verschiedenen Arbeiterhäuser z. B. für reiz-
volle Gärtchen schaffen lassen. Ich wiederhole, die