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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932

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Schiebelhuth, Hans: Der Blick ins Grüne
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https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0102

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INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT OTTO ZOLLINGER —SAARBRÜCKEN

KLEINES WOHNZIMMER. BEZÜGE ORANGE-HOCHROl

DER BLICK INS GRÜNE

Der Blick ins Grüne hat eine heilsame, wie-
derherstellende Kraft. Das Auge wird wach
und wandelt am Glanz der Rasenflächen, der
Böschungen und Dämmungen, der Hecken und
Lauben entlang. Der Mensch besinnt sich und
lauscht: sein Auge ruht aus und „trinkt". Die Farbe
des Lebens, des Frühhngshaften, frischdurchsaf-
teten Lebens musiziert im Licht. . Grün! Tausend-
faches Grün: helles Smaragdgrün der ersten gra-
den Grashälmchen / Leuchtend zartes Goldgrün
des vollausgedrungenen Glyzinienlaubs / Blau-
behauchtes Duftgrün der vielen kleinen Liguster-
blättchen / Herbes, erdiges Graubraungrün vom
Buchs und vom Efeu / Weinrot befunkeltes Grün
von Fuchsschwanz, Fuchsie und Minzen / Silbrig
gedämpftes Grün fremder Ziersträucher / Frucht-
bares Schattengrün, kräftiges Kerngrün, zaub-
risch fliegendes Feuergrün, strotzendes schweres
Grundgrün, taumelndes Traumgrün / Viele Grün,
Vielerlein Grün - und doch: ein einziges psalmo-
dierendes Grün. . Warum nie ein Kind fragt, wie-
viel Grün in einer Gartenecke grünen? - Vielleicht
weil alles Grün der Schöpfung zusammenklingt,

zusammenrauscht, ineinander zusammengehalten
ist wie ein unzerlegbares großes Orchester. Viel-
leicht auch, weil einer, der ins Grün blickt, nicht
fragt. . Wer ins Blaue blickt, verliert sich und muß
dann nach dem Weg fragen. Wer ins Grüne blickt,
findet sich. Der Blick ins Grüne ist immer heilsam,
er gibt Sammlung, Ruhe, Heiterkeit, Genuß.

Herrlich: gelabten Auges zu wohnen, sich stets
mit einem »Blick ins Grüne« zurück zu empfan-
gen! Das Zimmer hat seine eigene Stille, und das
Grün draußen beschwichtigt sie noch mit seinem
gesättigten Klang. Das Grün ergänzt alle Farben,
macht sie fester und feierlicher; es gibt den Din-
gen Leben und Glanz; die klare Anordnung der
Möbel bekommt eine gehaltene Resonanz.

Große Fenster haben! Fenster, die das Grün
in die Wohnung rufen, Wachstum vor den Häu-
sern haben: natürlich nicht so, daß der Wohner
im Schatten der Bäume sitzt und keine Sonne
mehr hat, sondern so, daß dem Blick ins Grüne
einige Weite gegönnt ist. Einen Rasenplatz anle-
gen, dazu niederes Gebüsch; und etwas weiter
entfernt die höheren Bäume. . . hans schiebelhuth.
 
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