Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932
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"Wohnungen des Menschen": die Darstellung eines talmundischen Dichters
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INNEN-DEKORATION
DEUTSCHE WERKSTÄTTEN A.G. —HELLER AU
GLASER-VITRINE. ENTW.: A. G.SCHNECK
>WOHNUNGEN DES MENSCHEN,
DIE DARSTELLUNG EINES TALMUDISCHEN DICHTERS
Eine tiefsinnige Darlegung der Menschwerdung
und des Wandels der »Wohnungen« des
Menschen gibt der talmudische Dichter Seder
Jezirat Hawlad in einer Erzählung »Von der
Gestaltung des Kindes«. . Da heißt es: »So liegt
das Kind im Schoß der Mutter neun Monate.
Die ersten drei Monate wohnt es in der »unteren
Wohnung«, die drei mittleren in der »mittleren
Wohnung«, die drei letzten in der »oberen Woh-
nung«. Es ißt von allem, was seine Mutter ißt, und
trinkt von dem, was seine Mutter trinkt.
★
Ist nun seine Zeit erreicht, hervorzugehen,
kommt der »Dienende Bote« und sagt: »Geh her-
vor, denn erreicht ist deine Zeit, hervorzugehen in
die Welt!« Das Kind aber antwortet: »Hab ich
nicht schon vor dem, der da sprach und die Welt
ward, gesagt, daß mir genug ist an der Welt, in
der ich gewohnt habe!« Sagt zu ihm jener: »Die
Welt, in die ich dich eintreten lasse, schöner ist
sie«; und ferner: »Ein Gezwungenes wirst du im
Eingeweid deiner Mutter gestaltet, ein Gezwun-
genes wirst du geboren und gehst hervor in die
Welt.« — Da weint es. Und warum weint es?
Um die Welt, in der es war, — daß es sie lassen
muß.. Und da das Kind nun hervorgeht, schlägt es
der Bote unter die Nase und verlöscht das Licht,
das über seinem Haupte war, und läßt es, ein
Gezwungenes, in die Welt hervorgehen. Da
vergißt es alles, was es gesehen hat.
★
Und da das Kind hervorgeht, weint es. Und
warum? Weil man in jener Stunde sieben Welten
an ihm vorüberführt. . Die erste Welt gleicht der
eines Königs; alles fragt nach des Kindes Frieden,
alles sehnt sich, es zu schauen, man küßt es, man
umarmt es, — weil es doch im ersten Jahr ist. .
Die zweite Welt gleicht der eines Schweines,
das immer im Misthaufen steckt, — so auch es im
zweiten Jahr, es steckt immer in Unrat und Kot. .
Die dritte Welt gleicht der eines Böckchens, das
auf der Weide hüpft; so auch es, — es hüpft dahin
und dorthin, bis es fünf Jahre zählt. . Die vierte
Welt gleicht der eines Rosses, das stolzen Muts
auf der Straße geht; so auch das Kind, es geht
stolz daher und rühmt sich seiner Jugend, — so
wird es achtzehn Jahre. . Die fünfte Welt gleicht
der eines Esels, auf dessen Schulter man einen
Packsattel gibt; so legt man's ihm auf, man gibt
ihm ein Weib, und er zeugt Söhne und Töchter
INNEN-DEKORATION
DEUTSCHE WERKSTÄTTEN A.G. —HELLER AU
GLASER-VITRINE. ENTW.: A. G.SCHNECK
>WOHNUNGEN DES MENSCHEN,
DIE DARSTELLUNG EINES TALMUDISCHEN DICHTERS
Eine tiefsinnige Darlegung der Menschwerdung
und des Wandels der »Wohnungen« des
Menschen gibt der talmudische Dichter Seder
Jezirat Hawlad in einer Erzählung »Von der
Gestaltung des Kindes«. . Da heißt es: »So liegt
das Kind im Schoß der Mutter neun Monate.
Die ersten drei Monate wohnt es in der »unteren
Wohnung«, die drei mittleren in der »mittleren
Wohnung«, die drei letzten in der »oberen Woh-
nung«. Es ißt von allem, was seine Mutter ißt, und
trinkt von dem, was seine Mutter trinkt.
★
Ist nun seine Zeit erreicht, hervorzugehen,
kommt der »Dienende Bote« und sagt: »Geh her-
vor, denn erreicht ist deine Zeit, hervorzugehen in
die Welt!« Das Kind aber antwortet: »Hab ich
nicht schon vor dem, der da sprach und die Welt
ward, gesagt, daß mir genug ist an der Welt, in
der ich gewohnt habe!« Sagt zu ihm jener: »Die
Welt, in die ich dich eintreten lasse, schöner ist
sie«; und ferner: »Ein Gezwungenes wirst du im
Eingeweid deiner Mutter gestaltet, ein Gezwun-
genes wirst du geboren und gehst hervor in die
Welt.« — Da weint es. Und warum weint es?
Um die Welt, in der es war, — daß es sie lassen
muß.. Und da das Kind nun hervorgeht, schlägt es
der Bote unter die Nase und verlöscht das Licht,
das über seinem Haupte war, und läßt es, ein
Gezwungenes, in die Welt hervorgehen. Da
vergißt es alles, was es gesehen hat.
★
Und da das Kind hervorgeht, weint es. Und
warum? Weil man in jener Stunde sieben Welten
an ihm vorüberführt. . Die erste Welt gleicht der
eines Königs; alles fragt nach des Kindes Frieden,
alles sehnt sich, es zu schauen, man küßt es, man
umarmt es, — weil es doch im ersten Jahr ist. .
Die zweite Welt gleicht der eines Schweines,
das immer im Misthaufen steckt, — so auch es im
zweiten Jahr, es steckt immer in Unrat und Kot. .
Die dritte Welt gleicht der eines Böckchens, das
auf der Weide hüpft; so auch es, — es hüpft dahin
und dorthin, bis es fünf Jahre zählt. . Die vierte
Welt gleicht der eines Rosses, das stolzen Muts
auf der Straße geht; so auch das Kind, es geht
stolz daher und rühmt sich seiner Jugend, — so
wird es achtzehn Jahre. . Die fünfte Welt gleicht
der eines Esels, auf dessen Schulter man einen
Packsattel gibt; so legt man's ihm auf, man gibt
ihm ein Weib, und er zeugt Söhne und Töchter