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Michel, Wilhelm: "Zu sich selbst kommen"
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0181
INNEN-DEKORATION
169
ARCHITEKT PAUL LÄSZLÖ-STUTTGART
WOHN- UND MUSIKZIMMER. WOHNUNG B.
>ZU SICH SELBST KOMMEN«
Der moderne Wohnraum betont das »Jetzt«.
Das heißt: er gehört zu jenem Menschentyp
der Gegenwart, der sein Leben nicht in einer
»Anlehnung« an geprägte und übernommene
Wertgefühle erlebt, sondern als eine gegenwär-
tige, soeben erfolgende »Eingesetztheit«. Der
moderne Wohnraum gerade in seiner kühlen,
wenn auch heiteren und aufgeräumten Formungs-
weise illustriert anschaulich den Wunsch des heu-
tigen Menschen nach Gegenwart und Vergegen-
wärtigung. Er symbolisiert das volle Eintreten in
das »Hier und Jetzt«. . Und über allem Für und
Wider, das vom Fachstandpunkt aus zur moder-
nen Raumfassung gesagt worden ist, sollte man
die wichtigen geistigen Zusammenhänge nicht
vergessen, die zwischen dieser Raumfassung und
einem heute schon weitverbreiteten modernen
Denkstil bestehen. . In der Theologie z.B. kennt
man den hier gemeinten Denkstil seit Kierkegaard
als den Stil des »existenziellen Denkens«.
Das Ziel dieser Denkweise ist es, sich von der
Abstraktion und aller Uneigentlichkeit abzulösen,
aus dem bloß Möglichen zur Wirklichkeit wei-
ter zu schreiten und »sich selbst in Existenz zu
verstehen«. Das schließt in sich, daß der Mensch
aus allem bloß Übernommenen heraustritt und
»zu sich selbst kommt«, daß er seiner eigenen
Existenz nicht mehr aus dem Weg geht, — wäh-
rend Vieles vom älteren Lebensstil darauf heraus-
lief, sich »der Existenz zu enthalten«, nie schutzlos
in ein Jetzt und Hier einzutreten und der Ent-
scheidungs-Frage gegenüber zumeist eine neu-
trale Haltung einzunehmen.
Man versteht die Nüchternheit, Helle, Knapp-
heit der modernen Raumform falsch, wenn man
sie nur als eine rationale Durchkältung des Raum-
gebildes auffaßt; d.h. sie führt wohl einen Ratio-
nalismus mit sich, — aber was diesen Rationalis-
mus treibt, das ist das Herauswollen aus dem Un-
eigentlichen in das »Eigentliche«, — selbst auf
die Gefahr hin, daß dieser Schritt den Menschen
unerwünscht exponiert. . Architekten sind keine
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ARCHITEKT PAUL LÄSZLÖ-STUTTGART
WOHN- UND MUSIKZIMMER. WOHNUNG B.
>ZU SICH SELBST KOMMEN«
Der moderne Wohnraum betont das »Jetzt«.
Das heißt: er gehört zu jenem Menschentyp
der Gegenwart, der sein Leben nicht in einer
»Anlehnung« an geprägte und übernommene
Wertgefühle erlebt, sondern als eine gegenwär-
tige, soeben erfolgende »Eingesetztheit«. Der
moderne Wohnraum gerade in seiner kühlen,
wenn auch heiteren und aufgeräumten Formungs-
weise illustriert anschaulich den Wunsch des heu-
tigen Menschen nach Gegenwart und Vergegen-
wärtigung. Er symbolisiert das volle Eintreten in
das »Hier und Jetzt«. . Und über allem Für und
Wider, das vom Fachstandpunkt aus zur moder-
nen Raumfassung gesagt worden ist, sollte man
die wichtigen geistigen Zusammenhänge nicht
vergessen, die zwischen dieser Raumfassung und
einem heute schon weitverbreiteten modernen
Denkstil bestehen. . In der Theologie z.B. kennt
man den hier gemeinten Denkstil seit Kierkegaard
als den Stil des »existenziellen Denkens«.
Das Ziel dieser Denkweise ist es, sich von der
Abstraktion und aller Uneigentlichkeit abzulösen,
aus dem bloß Möglichen zur Wirklichkeit wei-
ter zu schreiten und »sich selbst in Existenz zu
verstehen«. Das schließt in sich, daß der Mensch
aus allem bloß Übernommenen heraustritt und
»zu sich selbst kommt«, daß er seiner eigenen
Existenz nicht mehr aus dem Weg geht, — wäh-
rend Vieles vom älteren Lebensstil darauf heraus-
lief, sich »der Existenz zu enthalten«, nie schutzlos
in ein Jetzt und Hier einzutreten und der Ent-
scheidungs-Frage gegenüber zumeist eine neu-
trale Haltung einzunehmen.
Man versteht die Nüchternheit, Helle, Knapp-
heit der modernen Raumform falsch, wenn man
sie nur als eine rationale Durchkältung des Raum-
gebildes auffaßt; d.h. sie führt wohl einen Ratio-
nalismus mit sich, — aber was diesen Rationalis-
mus treibt, das ist das Herauswollen aus dem Un-
eigentlichen in das »Eigentliche«, — selbst auf
die Gefahr hin, daß dieser Schritt den Menschen
unerwünscht exponiert. . Architekten sind keine
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