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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932

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Lang, Hugo: Zeit der Selbstbesinnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0121

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INNEN-DEKO RATION

109

architekt hans heinz lüttgen-köln

schlafzimmer des herrn. wohnuno l.

ZEIT DER SELBSTBESINNUNG

Unsere bewußten Bemühungen um Typisie-
rung aller Gebrauchsform bilden einen Teil
der Rationalisierung unseres Daseins. Durch
Unterordnung der Formgebung unter die Zweck-
bestimmung soll nicht nur die Produktion verein-
facht und der Konsum erleichtert, sondern auch
eine Annäherung an eine Lebensform erzielt wer-
den, die uns als die schlechtweg »natürliche« er-
scheint.«, — so führt Hans Tietze im Katalog der
diesjährigen Wiener Werkbund-Ausstellung: »Der
gute billige Gegenstand« aus. »Die rationalisierte
Form ist in dem Sinn natürlich, daß sie den wirt-
schaftlichen und geistigen Tendenzen unserer
Zeit gemäß ist; — sie ist es nicht in dem anderen
Sinn, daß sie einem dem Menschen von Natur aus
innewohnenden Trieb entspräche. Denn alle ur-
sprüngliche Formengebung ist nicht einfach,
sondern kompliziert; nicht einem rationellen
Gebrauchszweck angepaßt, sondern irrationellen
BedürfnissenRechnung tragend. AlleWildenkunst
und alle Volkskunst hat diesen »horror vacui«;
auch wo sie der Nützlichkeit dient, bleibt die
Form »symbolbeladen«; nicht in der Verwen-

dung der Dinge allein, schon in ihrer Herstellung
sind Werte enthalten, deren Abstreifung verarmt.
Unser Verlangen nach »zweckbestimmter Ein-
fachheit« ist zeitbedingt — sozial und wirtschaft-
lich. Aber kulturell wird aus solcher Not eine
Tugend nur, wenn wir den Vorgang aisinnerliche
Klärung und nötige Ergänzung angestammter
Art geistig begreifen. Leben heißt anders werden
und sich gleich bleiben; jeder Tag kann eine Reini-
gung vom gestern sein. Die Periode »guter, billiger«
Formgebung ist eine Gelegenheit zur Selbst-
besinnung. Auf dem »entlasteten« Grund wird
der alte Stamm dereinst wieder die Möglichkeit
finden, seine innersten Triebe zu entfalten.«

Das ist eine sehr annehmbare Formulierung .
Was in unserer Raumkunst vorgeht, ist im Grunde
ja nur ein wohlbedachtes »Zurückschneiden«:
— der Stamm bleibt erhalten, vollsaftig und kraft-
beladen, um nach einer gewissen Zeit, zu seiner
Zeit, eine Fülle neuer, lebenskräftiger Gebilde ans
Licht zu bringen. Warum also ungeduldig werden?
Alles Wachstum benötigt Zeit. Es genügt uns die
Gewißheit, daß das Neue wächst.......h l.
 
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