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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932

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Löwitsch, Franz: Gesetz und Freiheit im Raum
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https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0262

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250

INNEN-DEKORATION

ARCHITEKT FRITZ OROSS-WIEN

ORDINATIONS-VORRAUM Dr. M.-W1EN

GESETZ UND FREIHEIT IM RAUM

Ein Raum drückt, erhebt, ist voll von »Span-
nungen«, die er auf uns entlädt; besser: wir
sind von Spannungen erfüllt, die der Raum mehr
oder weniger löst. Er zwingt Bewegungen, Han-
deln und Denken in bestimmte »Richtungen« und
fördert oder hemmt so unser Tun. Der schmale
oder breite Gang zwischen den Möbeln engt un-
sere Bewegungen ein, wird uns zur »Bahn«, wenn
wir uns nicht an Kanten und Ecken stoßen wollen.
Diese Enge oder Freiheit des materiellen Raumes
gilt auch für seinen geistigen Gehalt, er engt unser
Denken und Fühlen ein, zwingt uns auf wenige
bestimmte Bahnen oder ist »weit« genug, um
zahlreiche Möglichkeiten »offen« zu lassen.

Es ist das »Gesetz des Raumes«, das der
Künstler in ihn hineinlegt. Die Form wird zum
Gesetz. Die »Freiheit im Raum« ist der Gleich-
klang des in der Raumform gebannten Gesetzes
mit dem Gesetz des Bewegens, Handelns und
Denkens, das der Mensch in sich trägt. . Das Ge-
setz des Raumes ist keimhaft eingeschlossen schon
in der ersten Konzeption und leitet den Künstler
fortab, so daß er mit nachtwandlerischer Sicher-
heit die erfüllende Gestalt vollendet. Grundriß

und Querschnitt, in Maß und Proportion, das Maß
der Öffnung und Geschlossenheit, die Farben der
Kubusflächen im ruhigen Rundherum zusammen-
klingend oder in Gegensätzen gespannt, die Licht-
quellen in Art und Größe, leitende Schrankwände,
Glasvitrinen als singuläre Zielpunkte, eine ruhig
helle Fläche und die Farben einer Zimmerpflanze,
Tisch und Sessel, in der Ecke oder mitten gestellt,
Bodenbelag und Gardine: alles fließt aus dem
Gesetz, dient seiner Verwirklichung. . Die Be-
wußtheit des Gesetzes gibt die Zielsicherheit der
Auswahl, das Urteil, was zum Räume paßt, was
nicht, die richtige Beleuchtung, die richtige Mö-
belstellung, die richtige Gebärde, der zugehörige
Mensch, — einmalig wie der einmalige Raum, »In-
dividuum« wie der »individuelle« Raum.



Aus dieser, an die individuelle Einmaligkeit
von Raum und Mensch geknüpfte »Freiheit durch
Harmonie« wird heute, in der Vergesellschaftung
von Mensch, Bedürfnis und Raum der »Kon-
flikt«! Das Einzel-Dasein in der Zelle ist kaum
mehr möglich. Der Raum dient — gleichzeitig oder
nacheinander — vielen Menschen; im Miethaus
 
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