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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932

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Wenzel, Alfred: Gemeinsamkeit des Empfindens
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https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0434

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422

INNEN-DEKORATION

professor clemens holzmeister _ wien

arbeitszimmer im präsidenten-palais

GEMEINSAMKEIT DES EMPFINDENS

Es unterliegt kaum einem Zweifel, daß unter den
Künsten heute die Architektur »führt«, d. h.
an Wichtigkeit den anderen voransteht. Haus und
Wohnung sind heute uns unmittelbarer angehende
Dinge als Bilder; architektonische Gestaltungs-Pro-
bleme interessieren uns entschieden viel unmittel-
barer als Bildgestaltungs-Probleme. Weshalb ?



Eine solche Frage ist nicht einfach damit zu beant-
worten: Haus und Wohnung seien eben notwendig
und darum »aktueller« als Bilder und Plastiken, die
erst in ihnen aufgestellt würden. Dann müßte es
immer so gewesen sein. Es war aber nicht immer
so: denken wir an Haus und Wohnung der Zeit des
Impressionismus zurück: sie haben für unser Emp-
finden etwas Trostloses. Man wohnte damals so, wie
man eben wohnte, die Architektur war eigentlich
kein »Problem« damals. Dem künstlerisch emp-
findenden Menschen jener Zeit waren Bilder wich-
tiger als der Raum: Die Malerei »führte« damals.
Es gibt sicherlich dauernd kleine Gewichts-Ver-
schiebungen, wechselnde Betonungen der jeweiligen
Präponderanz unter den Künsten. Wenn aber in so

deutlicher Abhebung die eine Kunst an die Stelle der
andern tritt, so handelt es sich dabei nicht um eine
Oberflächen-Wandlung, sondern um einen »struk-
turellen« Vorgang. Daß Haus und Wohnung als Pro-
blem uns so wichtig wurden, daß die Architektur in
den Mittelpunkt des Interesses rückte, daß man ein
Neues so intensiv wollte, daß es zur Bildung eines
neuen Stils kam, ist nur »innerlich«, mit einer wesen-
haften Veränderung des Allgemeingefühls zu erklären.



Architektur ist die Kunst des Zusammen-
schaffens — so wie die Malerei die individualisti-
sche Kunst unter den Künsten ist; das Bild betrifft
den Einzelnen —, Architektur, geformter Wohnraum,
stets eine Gemeinschaft. Architektonische Stilbil-
dung bedarf der durchgehenden, großen, gleichen
Form, und diese wird nur möglich, wenn in den vielen
Einzelnen ein »Bereitsein« entsteht, das Kleinlich-
Eigene aufzugeben, wenn aus bloßer »Gesellschaft«
»Gemeinschaft« wird, verbunden durch eine Solidari-
tät des Zusammen-Empfindens und Zusammen-
Denkens, die wieder etwas von jener Kraft in sich
trägt, die man »Glauben« nennt. . . Dr. alfred wenzel.
 
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