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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932

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Wenzel, Alfred: Belebte oder Beseelte Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0416

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404

INNEN-DE KORATI ON

ARCHITEKT Dr. ALFRED GELLHORN —BERLIN

KAMINPLATZ IN EINER WOHNHALLE MIT BÜCHEREI

BELEBTE ODER BESEELTE FORM

Glauben Sie nicht auch, daß dem Menschen wohl
für alle Zeit der Wunsch eingeboren bleiben
wird: seine unmittelbare Umgebung, die Welt unmit-
telbar um ihn, als etwas Besonderes und Gesondertes,
als ,seinen Lebensraum', ihm zugehörig und be-
seelt, zu empfinden? Glauben Sie nicht auch, daß
alle ,Technifizierung' einem fundamentalen mensch-
lichen Anspruch entgegensteht? Kann man nicht in
Beziehung auf diese Ansprüche von der Technik sa-
gen, daß sie wohl die Versorgung mit lebensnotwendi-
gen Dingen darstelle, aber in einer nüchternen Weise,
die keine rechte Lust in uns erregen vermöge ? Und
fehlt darum nicht, zumindest heute noch, in all dem
Neuen das, was als Beseeltheit anzusprechen ist?«



»Ich glaube, Sie irren — Sie müssen irren, solange
Ihre Vorstellung vom .Beseelten' völlig durch Erinne-
rungen an das Frühere bestimmt bleibt. Sehen Sie
richtig hin, dann verdienen diese Formen von früher,
die Sie für die eigentlich ,beseelten' halten, oft weniger
diese Bezeichnung als die heutigen, an denen Ihnen
so viel zu fehlen scheint. Denn jene Formen — einerlei,

ob Sie dabei an Großes oder Kleines, an Haus, Wand,
Möbel oder Gerät denken — wurden in der Mehrzahl
eigentlich nur ,belebt': es sind Formen, die ihrer
Struktur nach primitiv sind und nur an der Oberfläche
.durch Zutaten belebt' wurden, durch einen Dekor,
mit dem den ,toten' Dingen etwas von den Formen
der organischen Natur ,mitgegeben' werden sollte;
die toten Dinge wurden nur insoweit ,verlebendigt',
als man durch Blatt-, Blüten- oder Rankenformen
und dergleichen auf Lebendiges ,anspielte'.«



Daß man sich nun dieser »Anspielungen« heute ent-
hält, kommt einfach daher, daß man letztlich der Be-
lebung entraten kann, da sich eines verändert hat:
der Form-Sinn. Das Auge sieht heute wieder »Form
als solche«, gewinnt von der Dingform Eindrücke;
wir vermögen heute von der Form an sich beein-
druckt zu werden, die Form selbst erschließt sich uns
in ihrer sinnvollen Struktur und in ihren Symbol-
werten. Daher empfinden wir sie, dem Grade der Ein-
drucksstärke nach, als mehr oder weniger beseelt.
Es wirkt eines auf das andere: der schöpferische Form-
 
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