Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Vom leichten Wohnen
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0114

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
102

INNEN-DEKORATION

entwurf: carlwilli müller in köln

ankleide-raum der dame mit couch

VOM LEICHTEN WOHNEN

Hat Raumgestaltung etwas mit musikalischer
Gestaltung zu tun, so kann der Innenarchitekt
straffe und scharf rhythmisierte, und er kann —
auch in unserer Zeit — zarte, melodiöse Musik
machen. Er kann die Gestaltung aus dem hellen
Zweckfragen der Gegenwart ziehen, und er kann
sie aus einem mehr dichterischen Geiste hinfabu-
lieren: als Beitrag zu dem Thema des »leichten
Wohnens«, das uns ganz besonders angeht. . . .



Kein Zweifel, daß das »leichte Wohnen« ein
führendes Ideal der Gegenwart ist. Früher hatte
der Mensch nichts dagegen, sich auf seinem Le-
bensweg mit viel Gepäck zu beladen. Die Klei-
dung ausführlich und umständlich, die Verkehrs-
formen weitläufig.Haus undWohnraum mit Dingen
überbesetzt. Heute liebt er sich das, was geradezu
und schwerelos ist. Viel Dinge um ihn her — das
macht ihm eher Angst als Vergnügen. Er schätzt
die Freiheit, und er wittert Verknechtung in der

Fülle dessen, was »ihm gehört«. Er weiß, daß sich
das Verhältnis leicht umkehren kann: aus dem
»Besitzenden« wird der »Besessene«, aus dem
Apparat wird eine Kette. Der Mensch von heute
liebt nicht so sehr den Besitz der Dinge als die
»Möglichkeiten« des Habens. Seine Genuß-
freude ist lebhaft, aber sie ist dynamisch geartet:
Freude an der Freiheit des Ergreif ens. Das »leichte
Wohnen« stellt sich stilgerecht zu einer Zeit, wo
»alles im Fluß« ist. Das Heute gleicht nicht dem
Gestern, das Morgen stellt Überraschungen in Aus-
sicht. Das spüren die Menschen bis in den Grund
ihres Wesens und richten sich, halb unbewußt, dar-
auf ein. Das leichte Wohnen ist eine Entsprechung
zu dem leichten »einstweiligen«, nicht massig aus-
möblierten Weltbild, in dem wir alle heute leben.



Alles fordert von uns Mut zur Leichtigkeit,
Mut zum Augenblick und damit zugleich auch Ver-
trauen ins Kommende hinein. . . Wilhelm michel.
 
Annotationen