Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Anerkennung und Ablehnung
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0221

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION

209

professor adolf rading-berlin

schlafzimmer dr. r. schrankwand

ANERKENNUNG UND ABLEHNUNG

Menschliches Tun, Formen und Gestalten ist
immer ein »Verarbeiten«, das heißt: ein
Umsetzen und Umdichten der primären Materien
nach den Gesetzen einer psychischen »Anerken-
nung« und »Ablehnung«. Dies tritt nirgends
deutlicher hervor als im Wohnraum. Er läßt
sich von der psychologischen Seite her als ein
»System von Anerkennungen und von Verleug-
nungen«, von direkten und indirekten Aussagen
auffassen, und er gibt so stets eine wortreiche Aus-
kunft über den Menschen, der ihn bewohnt, oder
über den Zeitgeist und die Zeit, der er angehört.

Es gab Zeiten, die vieles zu »verbergen« oder
sich gegen Vieles zu wehren hatten; da wucherte
im Wohnraum dasVerdeckte und Zugeschlossene,
die »Blick-Abwehr« dominierte; dazu die Um-
deutung der Möbel ins »Architektonische«, die
zum Ausdruck eines sehr »statischen« Lebens-
gefühls wurde. Heute, wo der Mensch Bedenken
gegen die Verdrängungen hat, wird viel weniger
verdeckt und zugeschlossen. Aber es wäre irrig,
anzunehmen, daß jene »Verarbeitung« heute über-

haupt aufgehört hätte. Jedes Fenster enthält das
Bekenntnis zum Draußen, und doch zugleich die
teilweise Zurücknahme dieser Tendenz in der ab-
schließenden Glasscheibe und Sprossenteilung. .
Der Stahlrohr-Sessel sieht sehr »direkt« und »un-
umwunden« aus, aber er enthält doch ein sehr
gesellschaftliches Gefühl, und wenn er sich mit
einem Tierfell bedeckt, so hat er sich auf einmal
all die animalische Wärme wieder zugelegt, von
deren Ablehnung er ausging. Wir bekennen uns
heute im allgemeinen zum blanken Fußboden,
aber der Belag macht die Beziehung zu ihm als-
bald indirekt und der Teppich oder Läufer zeich-
net Felder und Bahnen, die aus der Ordnung der
menschlichen Motorik stammen.

Wie man es auch nehmen mag: sobald die Dinge
in die Nähe des Menschen kommen, treten sie
unter die Einwirkung von Zusage und Absage,
Verwandlung und Verarbeitung. Denn im
Menschen selbst liegen die Kräfte im Streit, er
steht zwischen der Bejahung und der Verleugnung
seiner eigenen Wünsche.......wilhelm michel.
 
Annotationen