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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932

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Lorenz, Rudolf: Gesinnung und Geschmack
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https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0229

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GESINNUNG UND GESCHMACK

Man spricht von einem »einladenden Stuhl«,
von einer »handlichen Kanne«, noch ehe
man sie benützt hat, wenn das Zweckhafte des
Gerätes durch die gut erfundene Form »zu uns
spricht«. Eine gute Lampe »spendet« uns Licht,
ein Schrank »verwahrt« unsere Kleider. Das be-
sagt: alle diese Dinge sind für unser Empfinden
Lebewesen, deren Sein und Wirken sich auf uns
bezieht. Wenn wir von solchen Gegenständen um-
geben die Ausstrahlungen ihres Wesens fühlen,
spüren wir das Schaffen der Hände der Menschen,
die uns mit dem Dasein und Wirken dieser Dinge
beschenkt haben. Am stärksten spüren wir das be-
sondere Leben der Dinge dort, wo handwerkliches
Entstehen und verständiger Gebrauch Hand in
Hand gehen. Der gute Handwerker ist fähig, die
Gebrauchsgegenstände zu Trägern des Ausdrucks
von Empfindungen zu machen und diese dem Be-
wohner durch die Sprache der Form zu übertra-
gen. Und wie der kultivierte Mensch bei der Wahl
seiner Gesellschaft sich nicht nach der äußeren
Gefälligkeit entscheidet, sondern nach Neigung,
Verstehen, nach geistigem Gehalt und innerem
Wert, ebenso wird er auch die ihn täglich um-

gebenden Gegenstände nach der Beurteilung des
inneren Wertes wählen. Denn nur dann, wenn ihn
geistige und seelische Beziehungen mit den Din-
gen in seiner Wohnung verbinden, werden aus
ihnen »mitlebende« Wesen, die uns in allen Stun-
den des Lebens »Gesellschaft leisten« können.



Dingen, deren Reiz im »Geschmacklichen« liegt,
stehen wir mehr mit dem geschulten Verstand und
dem gebildeten Auge gegenüber. Unser Stand-
punkt ihnen gegenüber ist obj ektiver, kühler; unser
Verhältnis zu ihnen von zeitlich beschränkterer
Geltung. Dinge mit geschmacklichen Qualitäten
vermögen vielleicht eine Weile als Arbeits- und
Zivilisations-Dokumente einer Zeit ihre Bedeu-
tung bewahren, — einen dauernden Wert behal-
ten unsere Geräte jedoch nur, wenn die Gesinnung,
aus der heraus sie entstanden sind, imstande war,
sie dem Leben wirklich einzufügen. . Der Ge-
schmack ändert sich mit der Mode und den äuße-
ren Lebensformen. Dinge mit Charakter und Eigen-
leben behalten immer ihre fühlbare Beziehung zum
Menschen. Deshalb soll es unser Ziel sein, unsere
Arbeiten in dieser Richtung zu gestalten.. r. Lorenz.

1932. vi, 3.
 
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