Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 43.1932

DOI Artikel:
Rosenberg, Lina: Innerhalb der vier Wände
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10798#0223

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATION

211

deutsche werkstätten a.c. karl bertsch

empfangs-zimmer im kasino lautawerk

INNERHALB DER VIER WÄNDE

Unsre Innenarchitekten haben die alten Herr-
schafts-Embleme der Wan d f 1 ä che imWohn-
raum wieder auf den Thron gehoben: die Farbe
und die Holztäfelung. Nichts soll und darf ihre
Ruhe, ihre Schönheit beeinträchtigen, verkleinern,
stören.. Und doch: ob der »Absolutismus der Flä-
che« sich durchsetzen wird? Das »Bild« ist uns
nicht nur Schmuck der Wand gewesen, hat nicht
nur ästhetische Forderungen erfüllt, sondern viel
höhere, ethische. Es war uns Freund, Tröster, Be-
rater, Anreger und Begeisterer — einem solchen
Lebenskameraden gibt man nicht ohne weiteres
den Laufpaß. . In dieser zeitgemäßen Forderung,
die »vier Wände wieder so fest und sicher um sich
zu sehen«, liegt eine beinahe mystisch-psycholo-

gische Erscheinung: der naive, sich in seiner ir-
dischen Gebundenheit so sicher fühlende Mensch
wußte nichts Besseres, als Weltweite und Welt-
wunder an seine Wände zu heften, um sich in der
Phantasie wenigstens aus seiner irdischen Enge
zu befreien.. Der moderne Mensch — vom Wun-
der gehetzt, von der Unendlichkeit des Weltalls
mit seinen Stimmen verfolgt durch Mauern und
festeste Schlösser, von physikalischen Gesichten
in ein einsamstes Pünktchen im grenzenlosen
Nichts schreckensvoll verwandelt — sucht nach
der Illusion eines »Raumes für sich«. Vier
glatte, sehr ruhige Wände: darin auf der Flucht
vor der Unendlichkeit der ewig kleine Mensch
des zwanzigsten Jahrhunderts. . . lina rosenberg.
 
Annotationen