XLIII. JAHRG.
DARMSTADT
NOVEMBER 1932
EIN HAUS IM VORGEBIRGE
EINE ARBEIT VON ARCHITEKT HEINRICH LAUTERBACH
Bei Reichenberg und Gablonz senkt sich das Su-
deten-Gebirge in sanftem Fall, um noch einmal
vom Paß anzusteigen im Gebirgskamm des Jeschken.
Es ist kein jäher Steilhang wie auf der preußischen
Seite dieses Grenzgebirges, sondern ein leichtes Hin-
übergleiten in die satte, duftende Lieblichkeit des
böhmischen Hügellandes. Diese reiche Landschaft
mit gesegnetem Feld, mit Tal und Strom, mit hügel-
ansteigenden Wäldern und schneeglänzendem Berg-
gipfel war oft genug Motiv für die Landschaftsmalerei
eines Kaspar David Friedrich: von der Höhe klar
überschaubar breitet sie sich vor dem entzückten
Auge mit der Weite und Vielfalt, mit dem anmutigen
Reiz eines romantischen Bildes. Hier ist altes deut-
sches Kulturland, und es ist bis zum heutigen Tag mit
dem ehmals der Krone Böhmen zugehörigen Schle-
sien aufs engste verknüpft. Und aus Schlesiens Haupt-
stadt holte sich der Gablonzer Bauherr den Baumei-
ster für sein Heim, das hoch am Berghang gelegen
ist, über der Stadt, mit dem Blick in das blaue Tal und
auf die Höhenzüge des Jeschken. . Wenn irgend die
Forderung nach Verknüpfung von Landschaft und
Bau, nach der Einbeziehung der umgebenden Natur
in die Häuslichkeit eine ideale Entsprechung gefun-
den hat, so ist dies hier, in dem nach Entwurf von
Architekt Heinrich Lauterbach erbauten »Haus
H. in Gablonz« — geschehen. Und nicht besser
kann man die künstlerische Substanz dieser Schöp-
fung deuten, als indem man auf die eigentümliche
Identität der »inneren Form« — die Identität zwischen
dem bildnerischen Gesetz dieser Landschaft und dem
bildnerischen Prinzip dieses Hauses hinweist. Es ist
das Landschafts-Gefühl des bauenden Künstlers,
ein eminenter Sinn für die ganz bestimmten Kompo-
sitions-Elemente eines Panoramas, was hier als inspi-
rierende Kraft gewirkt hat. . Das Haus ist hoch am
Hang gebaut, dem es sich — nicht ängstlich geduckt
nach Bauernweise — sondern in freiem, kühnem
Schwung anschmiegt. Die Terrassen des unteren Gar-
tens — mit Stauden und Wasserbecken, die für uns
zum Inbegriff des Gartens geworden sind — setzen
sich in der Gliederung des Baukörpers fort: so ist der
Hauptraum zum Teil auf Stützen frei hängend über
einen Sitzplatz gelegt, so schwingt ein Balkon als
Laufgang um das Haus, von den unteren Obstwiesen
und Terrassen nach dem weiter gedehnten Hauptteil
des Gartens oben eine Verbindung legend, der prak-
tisch auch eine Treppe entspricht. Alle Wohnräume
des Hauses liegen in einem Haupt-Geschoß, dem mitt-
leren, zu dem vom Haupteingang aus ein gläsernes
1952. XI. 1
DARMSTADT
NOVEMBER 1932
EIN HAUS IM VORGEBIRGE
EINE ARBEIT VON ARCHITEKT HEINRICH LAUTERBACH
Bei Reichenberg und Gablonz senkt sich das Su-
deten-Gebirge in sanftem Fall, um noch einmal
vom Paß anzusteigen im Gebirgskamm des Jeschken.
Es ist kein jäher Steilhang wie auf der preußischen
Seite dieses Grenzgebirges, sondern ein leichtes Hin-
übergleiten in die satte, duftende Lieblichkeit des
böhmischen Hügellandes. Diese reiche Landschaft
mit gesegnetem Feld, mit Tal und Strom, mit hügel-
ansteigenden Wäldern und schneeglänzendem Berg-
gipfel war oft genug Motiv für die Landschaftsmalerei
eines Kaspar David Friedrich: von der Höhe klar
überschaubar breitet sie sich vor dem entzückten
Auge mit der Weite und Vielfalt, mit dem anmutigen
Reiz eines romantischen Bildes. Hier ist altes deut-
sches Kulturland, und es ist bis zum heutigen Tag mit
dem ehmals der Krone Böhmen zugehörigen Schle-
sien aufs engste verknüpft. Und aus Schlesiens Haupt-
stadt holte sich der Gablonzer Bauherr den Baumei-
ster für sein Heim, das hoch am Berghang gelegen
ist, über der Stadt, mit dem Blick in das blaue Tal und
auf die Höhenzüge des Jeschken. . Wenn irgend die
Forderung nach Verknüpfung von Landschaft und
Bau, nach der Einbeziehung der umgebenden Natur
in die Häuslichkeit eine ideale Entsprechung gefun-
den hat, so ist dies hier, in dem nach Entwurf von
Architekt Heinrich Lauterbach erbauten »Haus
H. in Gablonz« — geschehen. Und nicht besser
kann man die künstlerische Substanz dieser Schöp-
fung deuten, als indem man auf die eigentümliche
Identität der »inneren Form« — die Identität zwischen
dem bildnerischen Gesetz dieser Landschaft und dem
bildnerischen Prinzip dieses Hauses hinweist. Es ist
das Landschafts-Gefühl des bauenden Künstlers,
ein eminenter Sinn für die ganz bestimmten Kompo-
sitions-Elemente eines Panoramas, was hier als inspi-
rierende Kraft gewirkt hat. . Das Haus ist hoch am
Hang gebaut, dem es sich — nicht ängstlich geduckt
nach Bauernweise — sondern in freiem, kühnem
Schwung anschmiegt. Die Terrassen des unteren Gar-
tens — mit Stauden und Wasserbecken, die für uns
zum Inbegriff des Gartens geworden sind — setzen
sich in der Gliederung des Baukörpers fort: so ist der
Hauptraum zum Teil auf Stützen frei hängend über
einen Sitzplatz gelegt, so schwingt ein Balkon als
Laufgang um das Haus, von den unteren Obstwiesen
und Terrassen nach dem weiter gedehnten Hauptteil
des Gartens oben eine Verbindung legend, der prak-
tisch auch eine Treppe entspricht. Alle Wohnräume
des Hauses liegen in einem Haupt-Geschoß, dem mitt-
leren, zu dem vom Haupteingang aus ein gläsernes
1952. XI. 1