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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Sichart, Emma von: Farbe und Raum: Winke für Laien
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0069

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FARBE UND RAUM

winke für laien

Bei der Ausstattung unserer Wohnräume ist die
Wahl der Farben nicht weniger bedeutungsvoll
als die der Möbelformen, denn die Farbe wirkt ent-
scheidend mit für das Behagen, das uns umgeben soll.

Die Anwendung von Farben unterliegt bestimmten
optischen Gesetzen, wobei allerdings zu bedenken ist,
daß die Farbenwahl auch durch den Zeitgeschmack
bedingt wird, der wiederum von neuen und verfeiner-
ten Färbemethoden beeinflußt ist. So traten z. B. zu
Beginn des 17. Jahrhunderts an die Stelle der starken
ungebrochenen Töne bisher unbekannte leichtere
Zwischentöne. Diese Änderung stieß zuerst auf gro-
ßen Widerspruch, und man eiferte heftig gegen die
»unehrlichen Farben«, die jedoch immer differenzier-
ter wurden, bis man zur Zeit des Rokoko endlich bei
dem schattenhaft zarten blaugrauen »Bleu-mourant«
angelangte. Als dann im 19. Jahrhundert die che-
misch hergestellten Farben an die Stelle der Natur-
farben traten, war man wieder stolz auf die neue
leuchtende Farbenpracht, auf die rosenroten Da-
maste, die blattgrünen Tafte, den königsblauen Samt.
Damals kam es in bezug auf die Wohnräume zu einer
gewissen Normierung, was die Farben betraf: man
wählte Rot nur für Empfangszimmer, für Speisezim-
mer Grün, für Schlafzimmer Blau — eine Zusammen-
stellung, die heute noch in vielen alten Schlössern an-
zutreffen ist.

Die moderne chemische Industrie hat uns eine ver-
wirrend reiche Palette von licht- und waschbeständi-
gen Schattierungen aller Farbtöne beschert und uns
damit vor eine Wahl gestellt, der unser Geschmack
und unser Farbempfinden nicht immer gewachsen
sind, denn nicht jedes Auge ist im gleichen Maß far-
benempfindlich und vermag die Wirkung der einzel-
nen Töne abzuschätzen.

Durch die Mischung der drei Grundfarben des Spek-
trums - Rot, Blau und Gelb - entstehen die Misch-
farben: 1. Orange (aus Rot und Gelb), 2. Grün (aus
Blau und Gelb), 3. Purpur (aus Blau und Rot). Jeder
dieser Töne ist in der Art des Regenbogens mit dem
andern durch Zwischentöne verbunden. Deshalb
empfinden wir eine Wahl von Farben als befriedigend,
wenn als Ergänzungsfarbe jener Ton gewählt wird,
der den Grundcharakter der Farbe bestimmt: so er-
gänzt sich gelbliches Grün am besten durch Gelb,
bläuliches Grün durch Blau, rötliches Lila durch Rot.

Wenn wir uns für eine Farbe entscheiden wollen,
müssen wir die Lichtverhältnisse des Raumes in Er-
wägung ziehen: gelbe und rötliche Töne wirken an-
regend - besonders wenn sie mit Kontrastfarben ver-
wendet werden wie Blau mit Orange oder Rot mit
Grün —, sie treten stark hervor, kommen also für
Räume in Frage, die keine zu starke Lichtquelle ha-
ben, während Blau und Grün als zurücktretende Far-
ben sich für Räume eignen, die stark dem Licht aus-
gesetzt sind, denn sie wirken dämpfend und ausglei-

chend. Die neutrale Wirkung der mit Weiß gemisch-
ten gelben, roten und bräunlichen Farben ist dem
Auge angenehm: darum werden die sandfarbenen
und rosigen Zwischentöne nicht nur von den Raum-
künstlern, sondern auch von den Käufern bevorzugt
gegenüber den starken Kontrastfarben. Diese sind im
farbigen Bild nur zulässig, wenn in ihnen ein Bruch-
teil von der den Raum beherrschenden Farbe ent-
halten ist. Zum Beispiel muß bei der Verwendung von
Rot zu Blau im Rot etwas von dem Gelb enthalten
sein, das dem Blau beigemischt ist. Am besten ver-
wendet man die Kontrastfarbe nur in bescheidenem
Maße, etwa bei Polstermöbeln, Kissen, einzelnen
Stühlen. Für Tischdecken wähle man einen lichteren
Ton als die Farbe des Holzes, aus dem die Möbel be-
stehen; abstechende Farben sind auch hier zu vermei-
den. Ein Durchblick in der Wand muß so gewählt
werden, daß bei geöffneten Türen die Raumeinheit
nicht zerstört wird; auch hat es sich als zweckdienlich
erwiesen, die Bezüge der einzelnen Polstermöbel für
die verschiedenen Räume so zu wählen, daß man
leicht die Stühle des einen Zimmers durch die des
anderen ergänzen kann, ohne daß ein Mißklang ent-
steht. Sind die Mittel beschränkt, so wähle man lieber
einfarbige Vorhänge als zu bunt gemusterte, die leicht
das Auge ermüden und nach Ablauf einiger Jahre dem
Gesetz des Wechsels unterliegen. Erwähnt sei, daß
niemals an der Menge des Vorhangstoffes gespart
werden darf: man nehme lieber ein billigeres Mate-
rial, dessen reicher Faltenwurf den Mangel an Kost-
barkeit in vielen Fällen ersetzen kann. Das erforder-
liche Maß ist mindestens ein und einhalbmal bis zu
zwei Drittel der Fensterbreite. Seidenvorhänge versehe
man mit Plomben, damit sie bessere Falten werfen.

Sehr wichtig ist auch die Ergänzung, die das Holz
der Möbel durch die farbige Ausstattung erhält. Zu
Eiche und Nußbaum stimmen grüne und blaue Töne,
zu Mahagoni bei einem sandfarbenen oder lichtgrauen
Hintergrund ein warmes Purpurrot. Zu den unpolier-
ten sandgeblasenen oder gekalkten Naturhölzern mit
den handgetriebenen eisernen Beschlägen werden
heute mit Vorliebe Töne gewählt, denen ein helles
Gelb beigemischt ist: z. B. ein ins Türkis schimmern-
des Blau, ein gelbliches Terrakottarot, ein gelbliches
Grün. Polierte glänzende Holzarten verlangen wieder
andere Farben. Für die Bodenbekleidung nimmt man
gern bräunliche und sandfarbene Töne: etwa ein war-
mes Sepiabraun zu den schönen fellartig weichen
Schafwollteppichen mit den leichten dicken Flöck-
chen, denen dunklere Töne beigemischt sind.

Diese Vorschläge sind nun als Beispiele aufzufas-
sen, denn die meisten Menschen tragen die Vorliebe
für ein ganz bestimmtes Farbenbild in sich, das ihrer
Wesenart entspricht und das ihnen als Richtschnur
bei der farbigen Ausgestaltung ihrer Innenräume
dienen soll. - emma von sichart—mqnchen
 
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