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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Michel, Wilhelm: Liebesdienste des Hausgeräts
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0383

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INNEN-DEKORATION

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»aus dem wohnzimmer einer musik liebenden familie« _ entw. und ausf. gebr. o. & w. kieser, bergd1et1kon

IEBESDIENSTE DES HAUSGERÄTS. »Über Was hier gesagt ist, zielt nicht auf Luxus und
jedem guten Buche«, schrieb Christian Morgen- Überfeinerung, denkt auch nicht an das Kostbare
stern, »muß das Gesicht des Lesers von Zeit zu Zeit oder gar Kostspielige der Werkstoffe. Im haus-
hell werden. Die Sonne innerer Heiterkeit muß sich backenen lindenen Salzfaß, im schlichten gedrehten
zuweilen von Seele zu Seele grüßen, dann ist auch Holzteller kann es stecken; aber irgendwie ist es
im schwierigsten Falle vieles in Ordnung.« Das läßt verbunden mit Liebe und Arbeit, die sich selbstver-
sich auch auf die Dinge der Wohnung, auf den gessen in das Stück eingesenkt haben und nun nie-
Hausrat, anwenden. Auch das Gebrauchsding soll mals aufhören, als heiteres, zufriedenes Leben aus
eine Fähigkeit haben, feinere Genugtuungen zu ge- ihm herauszuglänzen. Wenn wir uns bereden wollen,
währen und noch hinter seinem Dienst das Leben wir brauchten das nicht, dann betrügen wir uns.
zu fördern. »Alle guten Dinge sind starke Reizmittel Die kurzen festlichen Minuten und Sekunden, da
zum Leben«, sagt Nietzsche, und er meint damit eben unser Gesicht sich erhellt über dem wohlgeratenen
jene Heiterkeit, von der Morgenstern im angeführten Bild unseres Wohnraums oder über der geistig freien
Worte spricht. Es gibt Stühle, auf denen man nicht und angenehmen Gestalt eines Stückes Hausrat,
nur gut sitzt, sondern über die man sich auch freut, sind uns nötig und wichtig.

mit dem Auge wie mit der Hand, welche die Lehne Kleine, oft wiederholte Erfüllungen sind es, die
ergreift. Diese Freuden, wenn sie auf ein dank- insgeheim unsre Seele stimmen; kleine, oft wieder-
bares Empfinden treffen, sind Lebensreize, die ganz kehrende Verletzungen sind es, die sie verstimmen;
im stillen und nebenher wirken. Ein Tisch, der fest und es sind nicht nur die vielbedachten Ästheten,
dasteht und trägt, tut seine Schuldigkeit. Führt er die - auf falsche Weise - dem Schönen nachjagen,
aber darüber hinaus noch etwas Festliches, Wohl- sondern gerade auch einfache, gesund empfindende
geborenes an Gesamtgestalt mit sich, dann erfüllt er Volksmenschen, in denen die Antriebe volkskünst-
erst die ganze Würde, die ein Gerät zieren kann. lerischer Gestaltung kräftig weiterleben. w. m.
 
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