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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Ideologien in der Wohngestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0216

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198

INNEN-DEKOR AT ION

RICHARD MÖNCH, WERKSTÄTTEN FQR DEUTSCHE WERTMÖBEL »SCHLAFZIMMER« ZITRONENHOLZ POLIERT

IDEOLOGIEN IN DER WOHNGESTALTUNG

Hat man lange mit den Fragen des Wohnens, der
Raum- und Möbelgestaltung gelebt, so sammeln
sich eigenartige Erfahrungen über die Ideologien
auf diesem Gebiet. Sie geben sich fast regelmäßig
als absolute Wahrheiten, aber in Wirklichkeit sind
sie Waffen, mit denen sich jeweils bestimmte Be-
wegungen, bestimmte Form- und Werkgesinnungen
durchsetzen. Wir haben die anti-technische Ideologie
gehabt. Was war das Ergebnis? - Die Einsicht, daß
technische Formungsideale zwar schwere Zerstö-
rungen der Menschenwelt bringen können, wo der
Mensch seiner selbst nicht sicher ist; daß sie aber
hilfreich und segenstiftend wirken, wo sie aus einem
gefestigten, ganzen Menschentum gehandhabt wer-
den. Ideologien können oft einen hohen erzieheri-
schen Wert haben. Aber wir sollten nie vergessen,
daß es im Ernst immer nur auf das Ganze und aufs
Ziel ankommt, nicht auf ideologisch festgelegte
Mittel und Wege. Wir sind heute lebhaft ange-
sprochen von der Ideologie der handwerklichen Ar-
beit, des natürlichen, gewachsenen Werkstoffes.
Wir wollen nichts mehr wissen von einer früheren

Gestaltungsgesinnung, welche die Faser und Ader
im Holz förmlich Verabscheute, weil sie ins Künst-
liche weltanschaulich verliebt war. Aber darf uns das
unfähig machen, in einer Zeit, in der vielleicht am
Holz, am Eisen und Kupfer gespart werden muß,
mit synthetischen Werkstoffen umzugehen? Gewiß
nicht. Der Mensch, der etwas Ganzes ist, hat Frei-
heit zu allem. Wir werden uns heute nicht mehr
von der Weltanschauung des naturlosen Werkstoffs
oder der technizistischen Form knechten lassen -
aber den naturlosen Werkstoff zu verwenden, wenn
ernste Notwendigkeit es gebietet, das werden wir
uns gestatten, eben aus der Freiheit erstarkten
Totallebens heraus. Griechen und Römer, auch das
alte deutsche Bauernhaus haben den Estrich aus
künstlicher Stampfmaterie gekannt und unbedenk-
lich verwendet, und dieselbe Unschuld im Benutzen
solcher Dinge ist überall da möglich, wo der Mensch
in seinem Leben kräftig dasteht. Es ist geradezu ein
Zeichen für kräftige Völker und Zeitalter, daß sie
ihre Ideologien elastisch fassen oder sich jedenfalls
elastisch zu ihnen verhalten. Wir heben heute z. B.
 
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