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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Ideologien in der Wohngestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0217

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INNEN-DEKORATION

199

in der Gestaltung unserer Staatsjugendheime gern
eine Anknüpfung an den Hausbau unsrer Altvorderen
hervor. Wir pflegen mit größter Liebe in unseren
Dörfern das Altererbte, suchen Grund in alter Ge-
staltungsweise und Handfertigkeit. In gefährdeten,
weniger ihrer selbst sicheren Zeiten hätte man diese
Tendenz unfehlbar weitergedacht zu einem grund-
sätzlichen Mißtrauen gegen alle neuzeitliche Zivili-
sation. Man denke an einen bedeutenden Mann wie
William Morris, der grundsätzlich die Benutzung der
Eisenbahn vermied, weil ihm das technische Element
als kulturwidrig galt. Aber wir stellen neben die
Pflege der Überlieferung das Äußerste an Bejahung
der Technik, der modernen Methoden. Rundfunk,
Film, Autobahnen sind uns durch die Liebe zum
Altehrwürdigen nicht widerlegt, und umgekehrt.
Wer denkt heute, daß die Autobahnen, die an einem
schönen alten Dorf vorübergleiten, und die Fach-
werkhäuser dieses Dorfes zwei verschiedenen Welten
angehören? Wer denkt, daß das weltweite Bezie-
hungssystem, welches im Rundfunk gegeben ist,
der von uns so hochgeschätzten Bindung an Land,
Ort und Scholle feindlich entgegengesetzt sei? Gewiß,
der Rundfunk hebt den Raum auf, er löst den Hörer
aus der absoluten Einweisung in seinen physischen
Lebensraum. Aber er tut dies im Dienste eines höhe-

ren und ebenfalls lebensechten Zusammenhangs,
nämlich der Volksgemeinschaft, und damit ist er
nicht nur gerechtfertigt und entgiftet, sondern zu
einem Wert erhoben, der dem wirklichen Leben in
uns keineswegs widerstreitet. - In schwachen Zeiten
drängen sich die doktrinären Entweder-Oder mit
ideologischer Verstarrung vor. Kleinstadt oder Groß-
stadt, Masse oder Persönlichkeit, Handwerk oder
Weltwirtschaft, Werkstattmöbel oder Serienmöbel,
nationale oder zeitgemäß-zivilisatorische Gestaltung?
Das waren Fragen, die uns jahrzehntelang ängstigten.
Sie klingen uns heute so überholt wie jene furcht-
samen Erwägungen der 20er Jahre, ob sich moderne
wirtschaftliche Lebenszwänge und echte Kultur je
wieder zusammenfinden könnten. Mit dem Augen-
blick, da der Mensch sich auf sein reales Leben als
auf den Kern- und Einheitspunkt besinnt, erweisen
sich solche Entweder-Oder als Scheingegensätze.
Es ist vielleicht der größte geistige Allgemeingewinn
der Gegenwart, daß die Lebenseinheit »Mensch« mit
den vielen Einzelelementen, die sie enthält und über-
greift, als Größe eigener Ordnung begriffen ist.
Auch die Umwelt des Heims, die sich der Mensch ge-
staltet, nimmt an dieser Eigenwertigkeit teil: Sach-
lichkeit und Beseelung, Zweckmäßigkeit und Ge-
mütlichkeit - alles kann in ihr beisammen bestehen.

GROSSER KLEIDER- UND WASCHESCHRANK AUS AUFBAU-TYPEN: NUSSBAUM GESTREIFT, INNEN AHORN
 
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