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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Volksnahe - Volksfremde Gestaltung
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0141

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INN EN-DEKORATION

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VOLKSNAHE - VOLKSFREMDE GESTALTUNG edlen Formleistung in hysterische Schmähungen auf
Ist man an den schönen und kostbaren Geräten eine Wohnkultur ausbrach, die sich »nur die Be-
vorübergegangen, die zu Tausenden die kunsthand- sitzenden gönnen« könnten. Siegreich und versöh-
werkliche Abteilung der Ausstellung im Hause der nungsstiftend erhebt sich der neue Maßstab der
Deutschen Kunst zu München füllen, so findet man Nationalkultur über die alten, schlechten Trennungen
sich schließlich nicht nur mit Freude, sondern auch und läßt nur die Frage nach dem Formgeiste be-
mit einer wertvollen Einsicht beschenkt. Sie betrifft stehen. Wir verlangen heute Deutschheit der Ge-
die alte trübselige Unterscheidung zwischen dem staltung durch alle Stufen des Aufwandes hindurch,
schlichten Hausrat »fürs Volk« und den üppigen Ein- Wir verlangen den inneren, völkisch begründeten
richtungen, die für die Mehrzahl unerschwinglich und Kulturzusammenhang zwischen der Werkmanns-
also »Luxus« sind. Angesichts der kostbar gearbeite- wohnung und der Ministerwohnung. Und wir wissen
ten Schränke, der wundervollen Wandteppiche, der dabei, daß ein mit »sachlicher« Armseligkeit behan-
erlesenen Porzellane, Spitzen und Silbergeräte, die delter Wohnraum sehr viel mehr volksfremde Ge-
den allerwenigsten deutschen Haushalten erschwing- sinnung enthalten kann als das hochgezüchtete, in
lieh sein werden und die sich doch in der Formge- reicher Schönheit strahlende Gebilde, in dem wir den
sinnung so herzhaft zu deutschem Volk und Wesen Fleiß, den Künstlerehrgeiz, die fromme Tüchtigkeit
bekennen, fällt es uns wie Schuppen von den Augen, unsrer alten Zunftwerkstätten wieder lebendig sehen.
Wir begreifen plötzlich, daß die Unterscheidung zwi- Wir Deutsche dürfen heute mit Stolz sagen, daß der
sehen dem Wohlfeilen und dem Kostspieligen ihre Maßstab des Völkischen, des Volksgemäßen sich nicht
kulturelle Bedeutung völlig verloren hat gegenüber nurinderpolitischenGestaltungbewährthat.Auchauf
der einzig wichtigen Frage: Volksnahe oder volks- dem Gebiete der Dinggestaltung hat er uralte Gegen-
fremde Gestaltung? Nicht der Kostenpunkt, sondern sätze entgiftet und hat sie zu ihrem eigentlichen,
der Gesinnungspunkt steht im Vordergrund. Vorbei höheren Sinn erlöst. Diesen stillen und doch mäch-
sind die Zeiten, da sozialer Neid, diese schlimmste tigen erzieherischen Hinweis schenkt uns die Mün-
Ausgeburt der haßvollen Klassendoktrin, vor jeder chener Ausstellung als eine dauernde Bereicherung.

PROFESSOR REINHOLD STOTZ »GESCHIRRSCHRANK« DEUTSCHES NUSSBAUMHOLZ MIT INTARSIEN
 
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