Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

DOI Artikel:
Magie der Linien
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0114

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
98

INNEN-DEKORATION

ERNESTO CORTI E FIOL1 —FLORENZ »SCHUHGESCHÄFT MONTEMURRO IN ROM« NUSSBAUM POLIERT MIT GEÄDERTEM 1GRAF

MAGIE DER LINIEN

Bei ärztlich geleiteten Versuchen mit gewissen
Rauschstorfen, wie sie an deutschen und aus-
ländischen Kliniken durchgeführt wurden, haben
sich vielfach merkwürdige Einblicke in die magische
Wirkung der Linien und Farben auf das mensch-
liche Gemüt ergeben. Der normale Europäer hat in
seinem Verstände eine hervorragende Abwehrwaffe
gegen alles Magische. Er spricht zwar von einem
stechenden Rot, einem kalten Licht; er bezeichnet
ein Ornament als heiter oder eine Linie als klangvoll.
Aber er meint bei solchen Aussagen das Stechende,
Kalte, Klingende nur vergleichsweise. Er verliert nie
das Bewußtsein, daß er lediglich ein Ding namens
»Farbe« oder »Linie« vor sich hat und daß ihn beides
in der Tiefe wenig angeht. Er würde es als ein Zeichen
»krankhafter Sensibilität« ansehen, wenn er sich
durch solche Dinge ernstlich stören ließe; ja, er
würde dies für leere Einbildung halten. - Wird aber
ein solcher normaler Europäer durch ein chemisches
Mittel einer psychischen Veränderung unterworfen,
die sein begriffliches Bewußtsein dämpft, dann erlebt
er, daß den vergleichsmäßigen Bezeichnungen eine

Realität zugrunde liegt. Wir wissen dies aus den
Berichten, die über jene klinischen Versuche erstattet
worden sind. Da sagt eine Versuchsperson z. B.:
»Der Arzt ließ Licht in den Dunkelraum, das Licht
schmerzte und löste Kälteempfindung aus.« Einem
andern wird Musik vorgespielt: »Irgendwelche Miß-
töne machten sich durch ein unangenehmes Gefühl
(Prickeln) an der ganzen Haut bemerkbar. Überhaupt
glaube ich sagen zu dürfen, daß die ganze Haut beim
Anhören der Musik mir die verschiedenartigsten
Gefühle von warm und kalt, stechend usw. ver-
mittelte.« Eine dritte Versuchsperson bemerkt, »daß
meine ganze Umgebung sinnvoll auf mich bezogen er-
scheint, daß sie geradezu zwangsmäßig mein Handeln
beeinflußt, z. B. der Korridor mich zum Ans-Ende-
Gehen, die Linienführung des Treppengeländers zum
Zurückgehen zwang«. Die sinnliche Erlebnistiefe er-
reicht zugleich einen außerordentlichen Grad. Reize,
die in normalem Zustand unbeachtet bleiben, werden
jetzt fühlbar: »Merkwürdig, jeder Reiz, ob taktil,
optisch oder akustisch, ist gleich aufdringlich, er-
scheint jedoch auch gleich wesentlich . . . Trotz
 
Annotationen