INN EN-DE KORATI ON
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HANS HEINZ LÜTTGEN-KÖLN »HAUS H.B.« »WOHNHALLE« BLICK ZUM KAMINPLATZ
DIE WOHNWEISE UND IHRE KULTURELLE GRUNDLAGE
Man sprach früher, als man gerade Abstand von weihung dieser Politur durch schwitzende Hände,
der Wohnweise der Bismarckzeit gewonnen Nicht nur, daß die Pracht nicht echt war: selbst als
hatte, von einem »Ethos der Plüschgarnitur«, von unechter Ersatz wurde sie praktisch nicht in die
einer »Weltanschauung des cuivre poli«; und man Lebenswirklichkeit der Bewohner aufgenommen. Es
verstand darunter jene Talmikultur, die den Sinn für gab in der Wohnung eine schroffe Trennung: hier
das Echte verloren hatte und im Bedürfnis nach die Nutzräume, dort den Hohl- und Leerraum; hier
lügenhaftem Schein die schlechte Nachahmung weit- eine Zone gemeiner Wirklichkeit, daneben eine Zone
hin an die Stelle originaler Werte und gediegener der freigesetzten Idealität, die keine Verbindung mit
Werkstoffe treten ließ. der andern hatte. Ernst ist das Leben, heiter die
Eine andre Seite dieser Talmikultur vermag uns Kunst. Die gute Stube lag zwar im selben Stockwerk,
heute vielleicht noch mehr zu fesseln, weil sie uns aber auf einer anderen ethischen Ebene als Küche
unmittelbar zu den ethisch-kulturellen Grundlagen oder Schlafzimmer. Sie vertrat die Schönheit. Aber
unsrer heutigen Wohnungsgestaltung führt. Die Bis- sie behauptete zugleich, daß die Schönheit mit dem
marckzeit kannte die »gute Stube«, wo im Schatten wirklichen Menschenleben nichts zu tun habe. Ein
dürrer Zimmerpalmen jene Plüschgarnitur in rot streng eingehaltenes Gesetz wollte, daß die gute
oder grün ein feierliches Dasein führte. Und es ge- Stube nicht benutzt werden kann und darf. Es gibt
hörte zum Wesen der guten Stube, daß sie grund- Schönheit nur als einen unanwendbaren Schein. Die
sätzlich nicht bewohnt wurde. Sie war überhaupt Wirklichkeit muß häßlich und armselig sein. Das
nicht zum Bewohnen da. Der ihr innewohnende Menschenleben ist unheilbar gespalten; es bildet
Genius verbat sich etwas so Gemeines wie das Sitzen keine geschlossene, lebensvolle Einheit. Kurz: die
müder Menschen auf diesen Sesseln oder die Ent- gute Stube deutete auf das Verhängnis der damaligen
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HANS HEINZ LÜTTGEN-KÖLN »HAUS H.B.« »WOHNHALLE« BLICK ZUM KAMINPLATZ
DIE WOHNWEISE UND IHRE KULTURELLE GRUNDLAGE
Man sprach früher, als man gerade Abstand von weihung dieser Politur durch schwitzende Hände,
der Wohnweise der Bismarckzeit gewonnen Nicht nur, daß die Pracht nicht echt war: selbst als
hatte, von einem »Ethos der Plüschgarnitur«, von unechter Ersatz wurde sie praktisch nicht in die
einer »Weltanschauung des cuivre poli«; und man Lebenswirklichkeit der Bewohner aufgenommen. Es
verstand darunter jene Talmikultur, die den Sinn für gab in der Wohnung eine schroffe Trennung: hier
das Echte verloren hatte und im Bedürfnis nach die Nutzräume, dort den Hohl- und Leerraum; hier
lügenhaftem Schein die schlechte Nachahmung weit- eine Zone gemeiner Wirklichkeit, daneben eine Zone
hin an die Stelle originaler Werte und gediegener der freigesetzten Idealität, die keine Verbindung mit
Werkstoffe treten ließ. der andern hatte. Ernst ist das Leben, heiter die
Eine andre Seite dieser Talmikultur vermag uns Kunst. Die gute Stube lag zwar im selben Stockwerk,
heute vielleicht noch mehr zu fesseln, weil sie uns aber auf einer anderen ethischen Ebene als Küche
unmittelbar zu den ethisch-kulturellen Grundlagen oder Schlafzimmer. Sie vertrat die Schönheit. Aber
unsrer heutigen Wohnungsgestaltung führt. Die Bis- sie behauptete zugleich, daß die Schönheit mit dem
marckzeit kannte die »gute Stube«, wo im Schatten wirklichen Menschenleben nichts zu tun habe. Ein
dürrer Zimmerpalmen jene Plüschgarnitur in rot streng eingehaltenes Gesetz wollte, daß die gute
oder grün ein feierliches Dasein führte. Und es ge- Stube nicht benutzt werden kann und darf. Es gibt
hörte zum Wesen der guten Stube, daß sie grund- Schönheit nur als einen unanwendbaren Schein. Die
sätzlich nicht bewohnt wurde. Sie war überhaupt Wirklichkeit muß häßlich und armselig sein. Das
nicht zum Bewohnen da. Der ihr innewohnende Menschenleben ist unheilbar gespalten; es bildet
Genius verbat sich etwas so Gemeines wie das Sitzen keine geschlossene, lebensvolle Einheit. Kurz: die
müder Menschen auf diesen Sesseln oder die Ent- gute Stube deutete auf das Verhängnis der damaligen