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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Michel, Wilhelm: Geheimnis von der ruhigen Form
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0100

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84-

INNEN-DEKORATION

GEHEIMNIS DER RUHIGEN FORM

VON WILHELM MICHEL

In jedem jungen Menschen wohl wirkt eine Zeitlang
der holde Aberglaube: mit mir hat die Welt erst
richtig angefangen. Einmal — es sind schon viele
Jahre her, aber vergessen habe ich es nicht — saß
ich mit einem blutjungen Architekten zusammen.
Er erzählte von seinen Hoffnungen, und siehe da,
es ergab sich bei ihm als eine schier selbstverständ-
liche Gewißheit, daß er mit seinen Leistungen dereinst
die »ganze bisherige Bauerei« in den Schatten stellen
werde. Ich habe mir diesen Fall von Jugendwahn ge-
merkt, erstens, weil er mich lebhaft an Frühstufen
meines eigenen Selbstgefühls erinnerte, zweitens,
weil er mir ein Licht zu werfen scheint auf die un-
ausweichliche, rabiate Subjektivität, mit der wir zu-
nächst unseren Lebensweg beginnen. Unser Ich -
das ist zunächst lauter Explosion, ist ein gewaltsames
Drängen und Treiben, das vor brausendem Selbst-
geräusch das Gegebene, Objektive kaum wahrzu-
nehmen, geschweige denn zu würdigen vermag. Viel-

leicht - wer weiß - ist dies notwendig, damit das
junge Ich nicht sofort von der Übermacht des Ge-
gebenen erdrückt wird. Später, und zwar gerade mit
dem Erstarken der Persönlichkeit, kommt Schritt
für Schritt die Einwanderung aus dem Subjektiven
ins Objektive, aus der Willkür ins Gesetz, aus der
trotzigen Individualität in die Gemeinschaft und in
die Überlieferung. Die unruhige Eigenbewegung des
Gemütes dämpft sich und macht jener Stille Platz,
in welche nun das Wirkliche und das Wahre der Welt
hineinspricht. Es wird im Gemüt Raum frei für das
Erlebnis der Autorität, für die große Erfahrung,
daß alles grundsätzlich Private auch das Enge, Un-
gültige, Unmaßgebliche ist und daß es eine wahre
Stärke der Persönlichkeit nur gibt in der Einreihung.
In ihr kommt die lärmende Eigenregung des Subjekts
zur Ruhe, und Ruhe ist das Zeichen für ein Geltend-
werden des Objektiven und Gesetzlichen im Bereich
des menschlichen Denkens und Gestaltens. Wo Ruhe
 
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