DOI Artikel:
Kropp, Ernst: Betrachtungen über eine kommende Ornamentik, [2]
DOI Seite / Zitierlink: https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0108
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INNEN-DEKOR AT ION
HAUS H. B. »TRINKSTUBE« KIEFERNHOLZ, BLAUER KACHELOFEN, BLAU-WEISS-KAR1ERTES LEINEN
liehen Takt des Webstuhls frei seinem Empfinden in
Rhythmus, Farbe und Harmonie nach Herzenslust
zu folgen und ohne fremde Zutat das Wahre und
Schöne im Gewebe zu bilden?
Und macht die Natur etwas anderes? Die Orna-
mentik der Natur ist gleich der Musik eine Sprache
der Seele in Farbenklang, Rhythmus und Melodie.
Eine einfache Zeichnung in Punkten oder bewegten
Linien kann bei Katze, Vogel, Schmetterling, Blume
oder Fisch dieselbe sein, wodurch die ursprungs-
gleichen Ausdrucksmittel zu erkennen sind.
Der Punkt in fortlaufender Bewegung schafft die
Linie, und in strahlenförmiger Ausdehnung wird er
zum Fleck, er kann zum streng geometrischen Kreis
sich erweitern oder zur Spirale werden. Die fort-
laufenden und strahlenförmigen Bewegungen können
durch Unterbrechungen und gegenseitiges Verdrän-
gen rhythmischbewegte Linienreihen und Gegensätze
in geometrischen Zeichnungen hervorbringen, die
sich in Verbindungen mit der Farbe oft bis zu den
prachtvollsten Harmonien und Melodien steigern.
Wir stehen hier vor dem Phänomen eines Ausdrucks
der Lebendigkeit und Lebensfreude. Man findet hier
Sätze, Fugen und Kontrapunkte in den wundervoll-
sten Farbenklängen von einer Pracht, wie sie in der
Malerei nie erreicht wurde. Wer den Schmuck einer
Brahmäa zu enträtseln versucht, der steht vor dem
Wunder, das in Bach zur Musik geworden ist.
Selbst die reichste Ornamentik in der Natur beein-
trächtigt nie die Form in ihrer Bestimmung, sie be-
lebt, bereichert und schmückt, als Sinn und Wesen,
und zwar ohne fremde Zutat, rein aus der eigenen
Lebensfreude von innen heraus entwickelt.
Die Bewegung, die gleich einem Pulsschlag alles
durchdringt, zum Wachstum treibt, Leben erzeugt
und bis zum Ausdruck der Freude sich erhebt, kann
nie ein Abbild sein. Wie der Laut in einem Wesen
zur Stimme wird und bis zum Gesang sich steigern
kann, so kann auch im Stoff einer lebendigen Form
aus dem einfachsten Strukturwachstum Rhythmus
sich bilden und Melodie in den herrlichsten Farben-
klängen sich entwickeln. In diesem Vorgang ist das
geheimnisvolle Wesen begriffen, das als Schmuck
sich uns offenbart. (Fortsetzung folgt)
INNEN-DEKOR AT ION
HAUS H. B. »TRINKSTUBE« KIEFERNHOLZ, BLAUER KACHELOFEN, BLAU-WEISS-KAR1ERTES LEINEN
liehen Takt des Webstuhls frei seinem Empfinden in
Rhythmus, Farbe und Harmonie nach Herzenslust
zu folgen und ohne fremde Zutat das Wahre und
Schöne im Gewebe zu bilden?
Und macht die Natur etwas anderes? Die Orna-
mentik der Natur ist gleich der Musik eine Sprache
der Seele in Farbenklang, Rhythmus und Melodie.
Eine einfache Zeichnung in Punkten oder bewegten
Linien kann bei Katze, Vogel, Schmetterling, Blume
oder Fisch dieselbe sein, wodurch die ursprungs-
gleichen Ausdrucksmittel zu erkennen sind.
Der Punkt in fortlaufender Bewegung schafft die
Linie, und in strahlenförmiger Ausdehnung wird er
zum Fleck, er kann zum streng geometrischen Kreis
sich erweitern oder zur Spirale werden. Die fort-
laufenden und strahlenförmigen Bewegungen können
durch Unterbrechungen und gegenseitiges Verdrän-
gen rhythmischbewegte Linienreihen und Gegensätze
in geometrischen Zeichnungen hervorbringen, die
sich in Verbindungen mit der Farbe oft bis zu den
prachtvollsten Harmonien und Melodien steigern.
Wir stehen hier vor dem Phänomen eines Ausdrucks
der Lebendigkeit und Lebensfreude. Man findet hier
Sätze, Fugen und Kontrapunkte in den wundervoll-
sten Farbenklängen von einer Pracht, wie sie in der
Malerei nie erreicht wurde. Wer den Schmuck einer
Brahmäa zu enträtseln versucht, der steht vor dem
Wunder, das in Bach zur Musik geworden ist.
Selbst die reichste Ornamentik in der Natur beein-
trächtigt nie die Form in ihrer Bestimmung, sie be-
lebt, bereichert und schmückt, als Sinn und Wesen,
und zwar ohne fremde Zutat, rein aus der eigenen
Lebensfreude von innen heraus entwickelt.
Die Bewegung, die gleich einem Pulsschlag alles
durchdringt, zum Wachstum treibt, Leben erzeugt
und bis zum Ausdruck der Freude sich erhebt, kann
nie ein Abbild sein. Wie der Laut in einem Wesen
zur Stimme wird und bis zum Gesang sich steigern
kann, so kann auch im Stoff einer lebendigen Form
aus dem einfachsten Strukturwachstum Rhythmus
sich bilden und Melodie in den herrlichsten Farben-
klängen sich entwickeln. In diesem Vorgang ist das
geheimnisvolle Wesen begriffen, das als Schmuck
sich uns offenbart. (Fortsetzung folgt)