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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Michel, Wilhelm: Der Begriff des Eleganten
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0312

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294

INNEN-DE KORATI ON

»speisezimmer« hell mahagoni, weiss schleielack, goldmetallbeschlage, pflanzenbilder: geyer-raack

gantia« eines Mannes achselzuckend sprach als von Pflege der rein ästhetischen Werte, in einem spiele-
einer überspitzten, geckenhaften Geschmacklichkeit. rischen Ernstnehmen von Linie und Farbenklang, in
Wie legen sich für uns heute diese beiden Seiten des einer nervösen oder nervös tuenden Sensibilität. Da
Begriffs auseinander? - Wir kennen eine vornehme wird Eleganz zum Selbstzweck. Sie löst sich von der
Eleganz, eine Eleganz des Schlichten, des Gediegenen Lebensgrundlage und von der Echtheitsforderung,
und Echten; eine Eleganz der klaren, fließenden sie bewegt sich in einer aufgesetzten, künstlichen
Linie, der reinen gelösten Form. Ja, diese Neben- Scheinwelt, die oft die Welt des bloß »Gesellschaft-
bestimmung des Schlichten, Gebärdenlosen hat sich liehen« ist. Das ist ein Fehllauf, und mit Recht wendet
für uns so sehr mit dem Hauptbegriff verbunden, daß sich gegen diese Art von Eleganz jeder gesund ge-
es unserm Empfinden zuwiderlaufen würde, bei bliebene Instinkt. Er wittert, daß diese Art Eleganz
formenreichem Aufwand, bei kompliziertem Prunk kränklich ist und sich insgeheim dem versagt, was
das Wort Eleganz zu gebrauchen. Wir zögern nicht, die Grundlage unsres gesamten Lebens ist: der Ge-
von der eleganten Gestalt eines Flamingos zu spre- meinschaft, dem vorbehaltlos anzuerkennenden na-
chen oder eines kleinen Singvogels, dessen hauch- tionalen Lebenszusammenhang. - Gemeinschaft und
zart gefärbtes Federkleidchen eng und glatt am Gesellschaft! Es ist gewiß, daß beides nicht dasselbe
schlanken Körper liegt. Wir kennen elegante Ma- ist. Es ist gewiß, daß eine vergangene Zeit, welche
schinen, Kraftwagen, Flugzeuge, und wie sehr diese eine echte Volksgemeinschaft nicht mehr kannte, das
Art hochgezüchteter Dinggestaltung gerade auch bei Gesellschaftliche unsinnig überschätzt und gerade-
unsern germanischen Vorfahren zu Hause war, be- zu einen Götzendienst mit ihm getrieben hat. Es ist
zeugt das weltberühmte Osebergschiff, jenes Grab- aber auch gewiß, daß gerade auf dem Boden einer
schiff einer nordischen Fürstin, dessen Linienführung echten Volksgemeinschaft immer auch eine freie,
in ihrem wundervollen Fliehen, Fließen und Aus- schöne Gesellschaftskultur erwachsen muß, und in
schwingen etwas Unüberbietbares an Eleganz dar- dieser wird stets der Wert des Eleganten seinen Platz
stellt. - Gewiß gibt es nun auf der andern Seite eine haben, als Fall der gelösten, feinen Form, die das
Art Eleganz, die zwar die prunkvolle Auftragerei Gesunde, Kraftvolle und Lebendige der Gemeinschaft
vermeidet, aber sich gleichwohl überspitzt in der fließend und sicher zum Ausdruck bringt. - w. m.
 
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