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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 11.1913

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Heft 1
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Scheffler, Karl: Heinrich Tessenow
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https://doi.org/10.11588/diglit.4713#0054

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Baukunst jedoch Hess sich logisch-sittlich nicht Anlage zur Reife in sich tragen, sondern es muss
erwerben. die Zeit auch das Talent mit einem Willen zur Reife

Es giebt unter den Reformatoren eine ganze unterstützen. Die ersten Reformatoren hat die Zeit
Reihe starker Talente und echter Künstler, die sich in ihrem Willen zum Revolutionären unterstützt;
fortgesetzt bemühen zu neuen schönen Kunstformen jetzt aber warten wir eines anderen Geschlechts, das
zu gelangen und das verloren gegangene Geheimnis als ein natürliches Müssen und als ein Nicht-anders-
wieder zu erringen, und
die zum Teil auch zu
merkwürdigen, bedeu-
tenden Resultaten ge-
kommen sind. Was ihren
Resultaten aber den Cha-
rakter von etwas All-
gemeingültigem nimmt,
das ist eben das Merk-
würdige, das Persön-
liche, das Originelle, das
notwendig hineinkom-
men musste. Es zeigt
sich, dass die Reforma-
toren selbst das erfolg-
reich Begonnene nicht
über einen bestimmten
Punkt hinausführen
können. Es ist ihre
Lebensaufgabe freie
Bahn zu machen und
neue Grundlagen zu
schaffen; weil ihre Ar-
beit aber im wesent-
lichen erneuernd ist
kann sie nicht auch zu-
gleich ordnend sein. Die
Ergebnisse ihrer Arbeit
hören genau dort auf
allgemein gültig zusein,
Wo das zwecklos Schöne
beginnt; ihre Arbeit
sucht um so mehr das
Persönliche, das Origi-
nelle, je mehr sie fühlen,
dass sich ihnen das End-
gültige versagt. Es
kommt nun aber in der
Baukunst — wie überhaupt im Leben

HEINRICH TESSENOW, ARBE1TER-KEIHENIIAI

INE FAMILIE

Können die Gabe der
schönen ausdrucksvol-
len Maasse offenbart und
bewusst ausbildet. —

Es scheint als ob sich
in Heinrich Tessenow
der erste ganz ernsthafte
Vertreter dieser neuen
Generation ankündigt,
als ob er ein Baumeister
ist, dem alles bisher lo-
gisch-sittlich Erkämpfte
selbstverständliche Vor-
aussetzung geworden ist
und dessen Talent dahin
gravitiert, die in einem
höheren Sinnn „richti-
gen" Maasse wieder zu
finden. Insofern unter-
scheidet sich dieser Ar-
chitekt grundsätzlich
von seinen Genossen.

Tessenow ist Meck-
lenburger. Er ist aufge-
wachsen in Rostock, in
einer Gegend also, die
reich ist an Beispielen
jener alten bürgerlich-
bäurischen Baukultur.
Er hat das Bauhandwerk
als Maurer und Zimmer-
mann von unten herauf
erlernt. Nicht als ein
Hochschüler, der auch
einmal einige Jahre
praktisch arbeitet, son-
dern als ein Lehrling
und Gehilfe, der nicht

Aussicht hatte jemals aus dem Subalternen heraus-
zukommen wenn nicht durch eigene Kraft.

gär nicht
auf Individualismus und Originalität an, sondern

darauf, dass sich möglichst viele Individuen bis zu Seine Entwicklung über Baugewerkschule und

dem Punkt entwickeln, wo das Allgemeingültige Hochschule hat ihn nach München und Dresden

geleistet werden kann und wo die Persönlichkeit geführt, dann in das Atelier von Martin Dülfer

völlig hinter die Sache zurücktritt. Um dessen und endlich kurze Zeit zu Schultze-Naumburg. Er

fähig zu sein muss nicht nur das Individuum die hat ein Werk über Einfamilienhäuser veröffentlicht,

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